Bulgarien: "Mafiagericht" startklar

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Ein bulgarisches Spezialgericht soll die großen Fische des organisierten Verbrechens besser in den Griff und schneller hinter Gitter bekommen. Mit 1. Mai 2011 soll das "Mafiagericht" seine Arbeit aufnehmen.

Wien/Sofia. Der Mafiaprozess gegen die Gebrüder Marinowi gilt als das Waterloo der bulgarischen Justiz. Den beiden – allgemein bekannt sind die Exringer als die „Margin-Brüder“ – legte die Anklage ursprünglich die Bildung einer kriminellen Vereinigung und dreifachen Mord zur Last. Der Prozess verzögerte sich um vier Jahre – und statt der beiden Hauptangeklagten Krassimir und Nikolaj Margin (Letzterer ist mittlerweile untergetaucht) wurden schließlich vier andere Täter verurteilt. Sie stehen dieser Tage erneut vor Gericht.

Ein eigenes bulgarisches „Mafiagericht“ soll nun die organisierte Kriminalität in den Griff und ihre Vertreter hinter Gitter bekommen. Mit 1. Mai 2011 soll es seine Arbeit aufnehmen; dies beschloss das Parlament in Sofia diese Woche. Die Idee des Spezialgerichts kursiert schon länger in Regierungskreisen. Der Gerichtshof soll alle Fälle übernehmen, die mit der Gründung, Leitung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zusammenhängen. Auch Verbrechen wie Geldwäsche und Entführung fallen in seine Zuständigkeit. Nur Juristen mit mindestens zehn Jahren Berufspraxis werden dort einen Job finden.

Teures, aber nutzloses Projekt?

Für den neuen Gerichtshof, der dem serbischen Vorbild nachempfunden ist, gab es im Land nicht nur Beifall. Die sozialistische Opposition sprach von einem „Versagen der Justizbehörden“ des Landes, gar von einem „politischen Gericht“. Aber auch unabhängige Juristen beurteilen den Vorstoß kritisch. Stefan Popow vom Thinktank „Risk Monitor“ befürchtet eine Verschwendung von Ressourcen. Wie schon beim Prozess gegen die Margin-Brüder sei die Beweisaufnahme durch die Staatsanwaltschaft die eigentliche „Schwachstelle“, sagt Popow. Ein Mafiagericht könne diese nicht beseitigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2010)

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