Der vollständige Bruch mit der RCD soll die Lage beruhigen und der Übergangsregierung Glaubwürdigkeit verschaffen. Regimekritiker will als Präsident kandidieren. Die Proteste gehen indes unvermindert weiter.
Tunis/Ag. Die tunesische Übergangsregierung bricht mit dem Regime des gestürzten Diktators Zine el-Abidine Ben Ali: Alle Minister, die noch Mitglied der Regierungspartei RCD waren, sind am Donnerstag aus der Partei ausgetreten. Als Letzter legte der Staatsminister für lokale Verwaltung, Zouheir M'Dhaffer, sein Amt nieder. Er galt als einer der hartnäckigsten Verfechter der Politik Ben Alis.
Die Übergangsregierung, die seit Montag im Amt ist, besteht überwiegend aus Politikern des alten Regimes. Gegner befürchten deshalb, ein Neuanfang mit der alten Garde sei nicht möglich. Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi und Präsident Fouad Mebazaa hatten die RCD Anfang der Woche verlassen. Damit waren sie Forderungen der Demonstranten nachgekommen, Partei- und Staatsämter zu trennen. Der vollständige Bruch mit der RCD soll nun offenbar die Lage beruhigen und der Übergangsregierung Glaubwürdigkeit verschaffen.
Inzwischen bringt sich der Regimekritiker Taoufik Ben Brik in Stellung: Er will bei den innerhalb von sechs Monaten geplanten Neuwahlen als Präsident antreten. Der Journalist war unter Ben Ali sechs Monate lang in Haft gewesen, weil er regimekritische Schriften verbreitete hatte. Außerdem will der frühere Vorsitzende der tunesischen Menschenrechtsliga, Moncef Marzouki, bei den ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit 1956 kandidieren.
Polizei feuert Warnschüsse
In Tunis gehen die Proteste unvermindert weiter. Im Stadtzentrum gab die Polizei Warnschüsse ab, um eine Demonstration von mehrere hundert Regierungsgegner aufzulösen. Sie fordern den Rücktritt aller Minister, die mit dem geflohenen Präsidenten zusammengearbeitet haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)