Albanien: Polizei erschießt mehrere Demonstranten

Albanien Polizei erschiesst mehrere
Albanien Polizei erschiesst mehrere(c) EPA (ARMANDO BABANI)
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Anhänger der Opposition wollten mit einem Auto das Tor des Regierungsgebäudes durchbrechen. Dann soll die Polizei das Feuer eröffnet haben. Die Demonstranten setzten auch Autos und Bäume in Brand.

Trauer und Entsetzen in Albaniens Hauptstadt Tirana: Mindestens drei Menschen sind am Freitagnachmittag nach Krankenhausangaben bei einer Anti-Regierungsdemo erschossen worden. Präsident Bamir Topi und der sozialistische Oppositionsführer Edi Rama, der die Demonstration initiiert hatte, riefen zur Ruhe auf.

Tausende Demonstranten hatten sich zuvor auf Geheiß Ramas im Zentrum der Hauptstadt versammelt, um den Rücktritt der Regierung zu fordern. Vor dem Büro von Ministerpräsident Sali Berisha wurden Steine und andere Gegenstände auf Polizisten geworfen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur ATA. Die Demonstranten setzten auch Autos und Bäume in Brand.

Nach Angaben von lokalen Medien wollten die Demonstranten danach auch in das Regierungsgebäude eindringen. Es sei versucht worden, mit einem Auto das Tor zu durchbrechen.

Laut dem privaten TV-Sender Top Channel eröffnete die Polizei deshalb das Feuer auf die Demonstranten. Mehrere Personen seien auf dem Boden liegend gefunden worden. Laut einem Arzt wurden drei Menschen aus nächster Nähe erschossen. Die Agentur dpa berichtete auch vom Einsatz von Tränengas.

Das Verhältnis zwischen den Polit-Lagern in Albanien ist seit jeher angespannt, die Lage verschärfte sich mit der Parlamentswahl 2009. Die Sozialisten werfen den regierenden Demokraten von Berisha Wahlmanipulationen vor. Trotz Vermittlungsbemühungen, Ermahnungen und Ultimaten u.a. der EU hatten Regierung und Opposition ihren Wahlstreit nie beigelegt.

Rama hatte seit der Wahl unzählige Protestaktionen organisiert, die sozialistischen Abgeordneten boykottierten über Monate die Parlamentsarbeit. Sogar ein Hungerstreik wurde durchgeführt. Premier Berisha blieb jedoch hart und lehnte eine Neuauszählung ab. Jüngst war damit begonnen worden, die Stimmzettel der Parlamentswahl vom 28. Juni 2009 auf Beschluss der Wahlkommission zu verbrennen.


Zuletzt erschütterte auch ein Korruptionsskandal das Balkan-Land, das die EU-Mitgliedschaft beantragt hat: Vize-Premier und Wirtschaftsminister Ilir Meta von der Sozialistischen Integrationsbewegung (LSI) trat zurück, nachdem ein verdeckt gedrehtes Video im Fernsehen aufgetaucht war. Darin wird Meta beim Versuch gezeigt, eine öffentliche Ausschreibung für den Bau eines Wasserkraftwerkes zu manipulieren.

Meta hat die Vorwürfe zurückgewiesen, trat dann aber zurück. Auch österreichische Firmen sind im Bereich Wasserkraft in Albanien tätig. Metas LSI war nach der knappen Wahl aus dem Mitte-Links-Lager um die Sozialisten ausgeschert und hatte als Mehrheitsbeschaffer mit Berisha eine Koalition gebildet.

(Ag.)

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