Nach Mubarak-Ansprache: Obama fordert Reformen

Ägypten
Ägypten(c) AP (Lefteris Pitarakis)
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Der ägyptische Präsident Mubarak hat sich in der Nacht in einer Rede an das Volk gewandt, die Proteste gingen trotz Ausgangssperre weiter. US-Präsident Obama verlangte in einem Telefonat mit Mubarak Reformen.

Nach einer nächtlichen TV-Rede des umstrittenen Präsidenten Hosni Mubarak hat US-Präsident Obama in einem Telefonat von Mubarak verlangt, dass dieser für Gewaltverzicht und Reformen sorgt. Das Militär verhält sich weiterhin neutral, unklar ist nach wie vor, wer den Einsatz der Truppen veranlasst hat.

Knapp nach Mitternacht wandte sich Präsident Mubarak in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Öffentlichkeit. Er bedauerte die unschuldigen Opfer der Unruhen und rief zur Beendigung der Proteste auf. Mubarak erklärte, er habe den Rücktritt der bisherigen Regierung angeordnet. Er werde am Samstag eine neue Regierung benennen und versprach den Ägyptern mehr Demokratie sowie größere Bemühungen zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit. "Wir müssen vorsichtig sein, dass kein Chaos ausbricht, denn dadurch entsteht keine Demokratie", fügte der Präsident hinzu.

Panzer rücken ein

Am Freitag Abend waren Panzer in die Krisenzentren eingerückt, die Zentrale der ägyptischen Regierungspartei stand in Flammen, tausende Demonstranten stürmten das Außenministerium – was als friedliche Demonstration nach dem Freitagsgebet begonnen hatte, geriet binnen kurzem völlig außer Kontrolle.

An vielen Stellen der Kairoer Innenstadt waren Rauchsäulen zu sehen. Die Wut der Demonstranten und das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte schaukelten sich seit dem Nachmittag immer weiter auf. Hunderttausende Demonstranten zogen landesweit durch die Straßen und skandierten Slogans wie „Geh, geh, Mubarak, dein Flugzeug wartet auf dich!“.



Die Sicherheitskräfte antworteten mit Gummigeschossen, Wasserwerfern und Tränengas. Präsident Hosni Mubarak verhängte eine Ausgangssperre für die Städte Kairo, Alexandria und Suez von sechs Uhr abends bis Samstag sieben Uhr früh – und konnte vermutlich noch durch die geschlossenen Fenster seines Regierungssitzes mitanhören, dass sie von den Demonstranten schlicht ignoriert wurde.

(c) Reuters (Goran Tomasevic)

Am Abend wurden bereits 1030 Verletzte und mindestens 13 Todesopfer gezählt. Es kam zu Plünderunen. Gruppen von Männern aus den Armenvierteln der Stadt hatten sich zusammengerottet und mehrere öffentliche Gebäude und Geschäfte in Brand gesetzt, berichteten Augenzeugen. Kein Polizist und kein Soldat habe sie an den Plünderungen gehindert.

Armee löst Polizei ab

Alles hing vom Verhalten der Armee ab: Würde sie sich wie in Tunesien auf die Seite des Volkes stellen? Am Freitagabend verstärkte sich die Militärpräsenz in den Straßen, die Armee löste am Abend an vielen Stellen die Polizei ab. Nur war nicht klar, wer die Armee überhaupt geschickt hatte. Die Beruhigung der Lage in Ägypten sei "in sicheren Händen, in den Händen von Präsident Mubarak", erklärte Parlamentspräsident Fathi Sorour.

Es kam jedenfalls zu spontanen Verbrüderungsszenen von Demonstranten und Soldaten. Mehrere Soldaten zeigten das Friedenszeichen, die Demonstranten wiederum reagierten mit Applaus. Viele kletterten auf die Militärfahrzeuge.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Friedensnobelpreisträger Mohamed ElBaradei bereits seit Stunden unter Hausarrest: Der ehemalige Chef der Internationalen Atomenergiebehörde war am Donnerstag direkt aus Wien nach Kairo geflogen, um sich an die Spitze der Massenproteste zu stellen. Und er hatte sich schon vor seinem Abflug als Chef einer etwaigen Übergangsregierung ins Spiel gebracht. Also setzte ihn das Regime am Freitag kurzerhand fest.

Rauchschwaden über Kairo in den Abendstunden
Rauchschwaden über Kairo in den Abendstunden(c) Reuters (Yannis Behrakis)


Um die Kommunikation der Regimegegner zu unterbinden, wurde das Internet massiv blockiert. Zudem schaltete die Regierung die Mobilfunknetze aus.

Clinton: „Gewalt ist sinnlos“

US-Außenministerin Hillary Clinton rief die ägyptische Regierung auf, ihre Sicherheitskräfte zurückzuhalten und friedliche Demonstrationen zu ermöglichen: „Diese Proteste zeigen, dass es großes Unbehagen in der ägyptischen Gesellschaft gibt; und der Regierung muss klar sein, dass Gewalt dieses Unbehagen nicht zum Verschwinden bringen wird.“ Auch Präsident Obama übte in seiner ersten öffentlichen Reaktion am Abend Druck auf seinen wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt aus und signalisierte Sympathien für die Demonstranten. Zugleich würdigte Obama die Vermittlerrolle Mubaraks im Nahost-Konflikt, ein heikler Balanceakt für den US-Präsidenten.

Protestwelle in Ägypten
Protestwelle in Ägypten(c) APA (Hirsch)

(Ag.)

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