Den einen zu zögerlich, den anderen zu forsch: Die Regierung in Washington konnte es in Bezug auf die Revolution in Ägypten niemandem so wirklich recht machen.
[Kairo/Washington] Vor einem Kongress-Ausschuss hatte CIA-Chef Leon Panetta am Donnerstag den baldigen Rücktritt von Ägyptens Staatschef angekündigt. US-Präsident Barack Obama hatte für diesen historischen Moment schon eine Rede angekündigt. Doch Mubarak wollte nicht weichen - und brüskierte erneut seine einstigen Verbündeten in Washington.
Seit zwei Wochen haben die USA einen extrem heiklen Balanceakt zu vollführen: Von einem Land, das sich - je nach Präsident offensiver oder schwächer - der weltweiten Verbreitung der Demokratie verschrieben hat, wird erwartet, dass es sich vorbehaltlos hinter die demonstrierenden Massen stellt, die ein diktatorisches Regime stürzen wollen, das irgendwo zwischen Polizeistaat und Militärdiktatur angesiedelt ist.
Die US-Verbündeten im Nahen Osten, vor allem Israel und Saudiarabien, haben aber ganz andere Interessen: Für sie haben stabile Verhältnisse in Ägypten absolute Priorität. Ägypten war das erste arabische Land, das 1979 mit Israel Frieden schloss. Ein Frieden, der bis heute hält. Länger andauernde Instabilität an seiner Südgrenze kann Israel, das jederzeit im Norden auf einen Angriff der Hisbollah gefasst sein muss, nicht brauchen.
Abdullah: Ägypten nicht demütigen
Ägyptens Präsident Mubarak dürfe nicht gedemütigt werden, warnte wiederum König Abdullah US-Präsident Barack Obama in einem Telefonat, das einige Tage nach Beginn der Proteste geführt, aber erst am Donnerstag bekannt wurde. Sollten die USA das Mubarak-Regime finanziell fallen lassen - die USA haben ja mehrfach eine Aussetzung der Militärhilfen in den Raum gestellt - würde das Königreich einspringen, sagte Abdullah.
Und dann sind da noch noch die Eigeninteressen der USA. Und die decken sich im Sinne der Realpolitik eher mit denen ihrer Verbündeten als mit denen der Demonstranten. Heraus kam eine Art Eiertanz. Der erste, der sich weiter aus der Deckung wagte, war Präsidentensprecher Robert Gibbs: „Eine geordnete Machtübergabe muss substanziell sein, sie muss friedlich sein, und sie muss jetzt beginnen", hatte sein Chef Obama am ersten Februar gesagt, und Gibbs präzisierte tags darauf: „Jetzt heißt gestern."
Derselbe Gibbs hatte noch am 26. Jänner gesagt: „Ägypten ist ein starker Verbündeter", während Vizepräsident Joe Biden in Bezug auf Mubarak auf die Sprachregelung Wert legte: „Ich würde ihn nicht Diktator nennen." Schon Ende Jänner setzten die USA allerdings auch öffentlich Ägypten die Daumenschrauben an, indem sie die offiziell rund 1,3 Mrd. US-Dollar Militärhilfe in Frage stellten.
„Nicht einfach Karten neu mischen"
Die schärfste Meldung während der ersten Protesttage kam von Außenamtssprecher Crowley, der die erste Kabinettsumbildung Mubaraks samt Installierung Omar Suleimans als Vizepräsident mit den Worten kommentierte: „Er kann nicht einfach die Karten neu mischen und weitermachen wie zuvor." Gleichzeitig bemühte man sich aber verzweifelt um Äquidistanz zwischen „denen auf der Straße und denen in der Regierung" (Präsidentensprecher Gibbs).
Aufhorchen ließ vor einigen Tagen ein Detail einer Agenturmeldung: Außenministerin Hillary Clinton rief in Kairo an und verlangte, jene zur Verantwortung zu ziehen, die für die Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich sind. Am anderen Ende der Leitung war nicht Hosni Mubarak, sondern bereits Omar Suleiman. Die brutalen Übergriffe ließen den USA eigentlich keine Wahl: Sie mussten stärker für die Demonstranten Partei ergreifen.
Auch auffällig: Das dicke Lob von US-Verteidigungsminister Robert Gates für das „exemplarische Verhalten" der ägyptischen Streitkräfte.
Streitkräfte, mit denen man in engem Kontakt ist. Just zu Beginn der Proteste war Ägyptens Generalstabschef Sami Anan zu Konsultationen in Washington. Und die USA waren hinter den Kulissen offenbar eine treibende Kraft hinter der Installierung von Omar Suleiman als neuem Machtzentrum.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2011)