Das Mullah-Regime versuchte die Ereignisse in Ägypten bei seinen Feiern zum Jahrestag der Revolution als „islamischen Aufstand“ zu vereinnahmen. Proteste könnten auch im eigenen Land bald wieder losgehen.
Nicht nur in Ägypten waren am Freitag hunderttausende Demonstranten auf den Straßen. Ganz ähnliche Bilder kamen auch aus Teheran, freilich mit einem feinen Unterschied: Im Iran war es das Regime, das die Massenkundgebung organisiert hatte. Zum 32. Jahrestag der Islamischen Revolution.
Staatschef Mahmoud Ahmadinejad wiederholte die eigenwillige Interpretation des Regimes über die Ereignisse in Tunesien und Ägypten: dass es sich dabei nämlich um einen „islamischen Aufbruch“ handle, ungeachtet der Tatsache, dass auf Kairos Straßen kaum islamische Parolen zu hören sind. Das Regime tritt damit die Flucht nach vorn an, denn es fürchtet nach den blutig niedergeschlagenen Massenprotesten der „Grünen Bewegung“ im Sommer 2009 selbst einen neuen Aufstand.
Die „Grüne Bewegung“ erlebt die aktuellen Bilder aus der arabischen Welt freilich mit gemischten Gefühlen: Tunesier und Ägypter schafften binnen kürzester Zeit, was der iranischen Opposition 2009 versagt war. „In Tunesien wollten die Demonstranten das gesamte Regime loswerden. Bei uns war die Opposition nicht geeint“, erklärt Saeed Ghasseminejad den Unterschied. Viele hätten sich mit einem Abgang Ahmadinejads zufriedengegeben, wollten das System selbst aber nicht umstürzen, meint der Studenten-Aktivist, der 2008 nach Frankreich floh.
„Iraner werden immer wütender“
Oppositionsführern wie Mir Hussein Moussavi und Mehdi Karrubi wirft er vor, nicht entschlossen genug gehandelt zu haben: „Sie hatten ihre Chance, und sie haben sie nicht genutzt“ meint der Aktivist, der auf Einladung der Initiative „Stop the Bomb“ in Wien war.
Am 14. Februar will die Opposition eine Solidaritätskundgebung mit den Ägyptern abhalten. Die Chancen, dass das Regime das erlaubt, sind minimal – obwohl es die Ziele ja offiziell teilt. Ob die Protestwelle in den Iran überschwappt, sei schwer vorauszusagen, meint Ghasseminejad. sDass es früher oder später zu einer neuen Erhebung kommt, bezweifelt der Studenten-Aktivist aber nicht: „Die Leute werden immer ärmer. Und sie werden immer wütender.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2011)