Seit 1981 hatte nun gestürzte Präsident Hosni Mubarak alle Fäden in der Hand in Ägypten. Er galt als Partner des Westens, als Wall gegen die Islamisten. Konkurrenten drückte er unbarmherzig an die Wand.
[Kairo] Bis zum letzten Atemzug – so hat Hosni Mubarak stets gesagt – wolle er Präsident Ägyptens bleiben. Nie hat er sich träumen lassen, dass ihn sein eigenes Volk mit einem Massenaufstand davonjagen würde. Fast drei Jahrzehnte hatte Hosni Mubarak am Nil alle Fäden in der Hand gehalten – als unangefochtener Patriarch der Nation und als international geschätzter Garant von Stabilität. Mehr als die Hälfte der 80 Millionen Ägypter kennen nur ihn als Staatsoberhaupt. Länger regiert am Nil haben während der letzten 5000 Jahre nur wenige: der antike Pharao Ramses II. etwa oder Mohammed Ali Pasha Anfang des 19. Jahrhunderts, der als Begründer des modernen Ägyptens gilt.
Als islamische Extremisten am 6. Oktober 1981 seinen Vorgänger Anwar as-Sadat bei einer Militärparade erschossen, stand Vize Mubarak direkt neben ihm auf der Ehrentribüne. Zeitlebens hinterließ die hautnah erlebte Mordtat bei ihm tiefes Misstrauen gegenüber allen islamistischen Kräften. Acht Tage später bereits wurde der meist unergründlich und eisern lächelnde Ex-General zum neuen Staatschef des tief geschockten Ägyptens vereidigt.
Er war kein charismatischer Volkstribun wie Nasser und kein schillernder Medienstar wie Sadat. Und erst mit der Zeit ließ „der Mann der leisen Gesten“, wie ihn Time-Magazin damals charkterisierte, eigene Akzente erkennen.
1982 kontrollierte er den endgültigen Rückzug Israels aus dem Sinai, für Ägypten die wichtigste Frucht des Friedensvertrags von Camp David. Parallel dazu bemühte er sich mit zäher Beharrlichkeit, die durch Sadats Israel-Politik gekappten Fäden zu den arabischen Staaten wieder anzuknüpfen – mit Erfolg.
„Härter als Rommel“
1989 wurde Ägypten erstmals wieder zu einem Treffen der Arabischen Liga eingeladen, ein Jahr später das Hauptquartier von Tunis zurück nach Kairo verlegt. Mubarak machte Ägypten aber auch zu einem zentralen strategischen Partner der USA in der Region, was Washington mit milliardenschweren Militär- und Wirtschaftshilfen honorierte. Im Nahostkonflikt verstand er sich als ehrlicher Makler, auch wenn er es zeitlebens vermied, zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Israel zu reisen.
Am liebsten inszenierte er sich als gesuchter Gesprächspartner auf internationalem Parkett, bei dem sich die „Großen der Welt“ in Kairo oder Sharm el Sheikh die Klinke in die Hand geben. Seine pseudodemokratischen Wiederwahlen 1987, 1993 und 1999 ohne Gegenkandidaten und mit neo-sowjetischen Prozentziffern waren stets reine Formsache. Erst beim letzten Mal 2005 gab es auf amerikanischen Druck eine Handvoll Gegenkandidaten – alle chancenlos gegen die massiven Wahlmanipulationen des Regimes.
Geboren wurde der Langzeit-Pharao am 4. Mai 1928 in dem Fellachendorf Kafr-el-Moseilha im Nil-Delta, deren Bewohner als besonders schlau und gerissen gelten. Sein Vater war Justizbeamter. Nach seiner Ausbildung zum Kampfpilot in der Sowjetunion Anfang der sechziger Jahre machte er schnell Karriere. 1967 wurde er Kommandeur der Luftwaffenakademie in Kairo, zwei Jahre später Stabschef und dann 1972 Oberbefehlshaber der Luftwaffe, die sich im Jom-Kippur-Krieg 1973 wesentlich besser schlug als zuvor im Sechstagekrieg 1967. Seine Offiziere damals nannten ihn „härter als Rommel, aber menschlich o. k.“
Sachlicher Friedensverhandler
Als „Held des Oktoberkriegs“ gefeiert, ernannte Anwar as-Sadat den politisch Unerfahrenen überraschend zu seinem Vizepräsidenten. Die israelischen Unterhändler bei den Friedensgesprächen beeindruckte er mit seiner Effizienz, seiner präzisen Vorbereitung und seinem sachlichen, unprätentiösen Verhandlungsstil. „Kriege lösen niemals Probleme – sie bringen nur Blutvergießen und die Vernichtung von Ressourcen“, diese Erkenntnis brachte er aus seinen Armeejahren mit in seine politische Karriere.
Wenn es gegen politische Gegner ging, war Mubarak bis zuletzt nie zimperlich. 30 Jahre lang beherrschte seine National-Demokratische Partei (NDP) nach Belieben das Parlament und agierte stets als treuer Erfüllungsgehilfe ihres allgewaltigen Vormanns. Mediengewandte Konkurrenten im Kabinett wie der langjährige Verteidigungsminister Mohammad abu Ghazala und frühere Außenminister Amr Mussa lobte Mubarak auf andere Posten weg, damit sie ihm nicht gefährlich werden konnten. Seinen Herausforderer bei der Präsidentenwahl 2005, Ayman Nour, der mit acht Prozent einen Achtungserfolg erringen konnte, ließ er anschließend unter fadenscheinigen Vorwänden jahrelang inhaftieren.
Am Freitag endet die Ära Mubarak. Das Militär, das einst zugelassen hat, dass Hosni Mubarak groß und mächtig wurde, übernimmt nun die Macht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12. 2. 2011)