Auch Österreich erhielt von der Übergangsregierung in Kairo eine Liste jener Personen, deren Konten gesperrt werden sollen. Ob sich tatsächlich Regimegelder in Österreich befinden, ist aber unklar.
Für die Demonstranten sind sie alle Diebe und Betrüger – Hosni Mubarak, seine Familie und deren reiche politische Steigbügelhalter. Politische Macht schafft Reichtum und Reichtum beschert politische Macht – jahrzehntelang funktionierten so die autokratisch-wirtschaftlichen Seilschaften des Regimes am Nil.
Nicht so sehr der 82-jährige frühere Staatschef selbst, sondern seine Söhne Alaa und Gamal standen im Zentrum dieser lukrativen Netzwerke, die alle Beteiligten reich machten. Sie beide entschieden, wer Zugang zum Präsidentenpalast hat – und garantierten ihren Günstlingen auf diese Weise lukrative Steuerprivilegien, staatliches Land zu Spottpreisen für riesige Immobilienprojekte sowie billige Kredite bei den hörigen Staatsbanken. Mit in der Riege der Absahner waren auch die meisten Minister und viele Abgeordnete, die ihr erschwindeltes Vermögen teilweise in Europa angelegt haben sollen.
Das jedenfalls vermutet die Übergangsregierung in Kairo und wandte sich nun mit Hilfsersuchen an die EU und die USA sowie in bilateralen Anfragen an einzelne europäische Länder, darunter auch Österreich. Man habe eine Liste von Personen erhalten, deren Vermögen gesperrt werden soll, bestätigte der Sprecher des Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal, das Rechtshilfeersuchen auf Anfrage der „Presse“. Der Name Mubarak sei auf der Liste nicht vermerkt. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass sich tatsächlich Konten der betreffenden Personen in Österreich befänden. „Dennoch kann das nicht ausgeschlossen werden“, so Launsky-Tieffenthal. Ob das Ersuchen der ägyptischen Regierung an alle einzelnen EU-Länder gegangen ist, war am Dienstag unklar.
Ermittlungen eingeleitet
Parallel leitete Ägyptens Justiz gegen frühere Kabinettsmitglieder wie Ex-Premier Ahmed Nazif oder den verhassten Innenminister Habib al-Adly Ermittlungen wegen Unterschlagung und Betrugs ein. Alle dürfen bis auf Weiteres das Land nicht verlassen. Am Freitagabend, wenige Stunden nach Mubaraks Sturz, hatte bereits die Schweiz erklärt, man werde alles Eigentum des 82-Jährigen und seiner Günstlinge aufspüren und sicherstellen. Auch die EU-Außenminister werden in Kürze über das Thema beraten. Die Vermögen von Tunesiens Ex-Diktator Ben Ali, seiner Frau Leila Trabelsi sowie 46 Günstlingen hatte Brüssel bereits Anfang Februar eingefroren – und Ägypten wird wohl in Kürze folgen.
Wie reich Mubaraks Familie tatsächlich ist, weiß zur Stunde allerdings niemand. Gerüchten zufolge soll der Clan in den vergangenen 30 Jahren bis zu 70 Milliarden Dollar beiseitegeschafft, in britischen und schweizerischen Banken deponiert sowie in Immobilien in London, New York und Los Angeles angelegt haben. US-Quellen dagegen bewerten solche Angaben als weit übertrieben. Sie taxieren den Besitz der ehemaligen Herrscherfamilie eher auf zwei bis drei Milliarden Dollar. Wie ein Dokument bei WikiLeaks belegt, hatte die Oppositionsgruppe „Kefaya“ bereits 2006 Korruptionspraktiken von Mubaraks Söhnen Alaa und Gamal sowie seiner Ehefrau Suzanne zusammengetragen, ohne jedoch handfeste Beweise liefern zu können.
Neue Verfassung in zehn Tagen
Unterdessen macht das ägyptische Militär bei der Demokratisierung Tempo. In einer Erklärung drängte die Armeeführung auf eine schnelle Verfassungsänderung und bekräftigte, bis spätestens August die Macht an eine zivile Regierung und einen neu gewählten Präsident abgeben zu wollen. Verteidigungsminister Mohamed Hussein Tantawi ordnete an, dass der Entwurf einer neuen Verfassung binnen zehn Tagen vorgelegt werden soll. Einige Oppositionspolitiker äußerten Bedenken, ob man so schnell freie und faire Wahlen organisieren könne.
Auf einen Blick
Die Übergangsregierung in Ägypten schickte eine Liste ehemaliger Regierungsmitglieder des Mubarak-Regimes an EU und USA sowie einzelne europäische Länder. Das Vermögen der betreffenden Personen soll eingefroren werden. Dass sich solche Konten in Österreich befinden, sei unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich auszuschließen, sagt das Außenamt in Wien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2011)