Iran: Regime will Proteste im Keim ersticken

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Brutales Vorgehen gegen Demonstranten und Todesdrohungen gegen die Oppositionsführer. Teherans Machthaber haben offenbar große Angst vor einer neuen Protestwelle. In Gefahr scheint das Regime derzeit aber nicht.

Istanbul/Teheran/Keet/Zar. Die Begeisterung des iranischen Regimes für Volkserhebungen im Nahen Osten hatte ein Ablaufdatum: Es war erreicht, als Anfang der Woche Tausende in mehreren iranischen Städten in Solidaritätskundgebungen auf die Straße gingen – und dabei freilich gegen das eigene Regime demonstrierten.

Die Härte, mit der die Machthaber reagierten, zeigt die große Angst vor einem Wiederaufflammen der Proteste vom Sommer 2009: Brutal gingen die Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten vor und setzten laut Augenzeugenberichten auch scharfe Munition ein. Es gab zumindest zwei Tote und Dutzende Verletzte, nach Berichten Oppositioneller auf Internetplattformen auch viele Verhaftungen. Die Botschaft des Regimes ist deutlich: „Denkt nicht mal dran, das auch bei uns zu versuchen.“

Protest gegen das ganze System

Auch an die Oppositionsführer Mir Hussein Moussavi und Mehdi Karroubi gab es eine klare Botschaft: Parlamentarier skandierten am Dienstag „Tod für Moussavi, Karroubi und Khatami!“ und forderten für die zwei Erstgenannten die Todesstrafe. Dass das routinierte „Tod für Israel!“ oder „Tod für Amerika!“ in dieser Weise ausgetauscht wurde, zeigt, wie sehr sich der Ton verschärft. Schließlich waren alle drei einmal hohe Repräsentanten der Islamischen Republik, Mohammed Khatami war sogar acht Jahre Präsident.

Doch der Ruf nach der Todesstrafe für die drei Symbolfiguren der iranischen Opposition offenbart auch die Hilflosigkeit des Regimes, denn der Protest hat sich gewandelt: Nach den spärlichen Informationen aus dem Iran richteten sich die Parolen nicht mehr gegen Präsident Mahmoud Ahmadinejad, sondern gegen das System selbst („Tod der Islamischen Republik“) und gegen den religiösen Führer Ali Khamenei. Der ist so etwas wie Verfassungsgericht, Überregierung und Befehlshaber der Armee in einem. Wer sich gegen ihn wendet, der bekämpft das System der Islamischen Republik insgesamt.

So weit will aber keiner der drei symbolischen Oppositionsführer gehen, was sie in den Augen vieler Demonstranten unglaubwürdig gemacht hat. Für die Machthaber bedeutet dies aber, dass die eigentliche Oppositionsbewegung schwer zu fassen ist. Sie hat keine wirklichen Führer, an die man sich halten kann, und sie lässt sich auch nicht irgendwie einbinden oder beruhigen, etwa indem nach Ahmadinejad wieder ein freundlich lächelnder, etwas weltoffenerer, aber machtloser Präsident wie Khatami kommt.

Nicht auf die Armee angewiesen

Trotzdem hat das Regime ganz andere Voraussetzungen, die Proteste erfolgreich zu unterdrücken: Sowohl Hosni Mubarak in Ägypten als auch Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien waren nicht an Proteste gewöhnt und zwischen Gewaltanwendung und Aussitzen hin- und hergerissen. Vor allem konnten sie sich auf die Loyalität ihrer Armeen nicht verlassen. Irans Machthaber können sich neben der Polizei auf die Basij-Miliz und die Revolutionsgarden stützen, sie brauchen die reguläre Armee gar nicht.

„Wir wollen von den Ägyptern lernen: So lange auf der Straße bleiben, bis wir bekommen, was wir wollen“, heißt es in einem Aufruf bei „Facebook“.

Die iranische Führung hat genau verstanden, dass sie die Proteste sofort unterdrücken muss. Während die Ägypter ihren Tahrir Platz tagelang besetzt hielten, konnten sich die Demonstranten auf dem Freiheitsplatz in Teheran zunächst nur ein paar Minuten behaupten. In Gefahr ist das Regime einstweilen nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2011)

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