Augenzeugen: "Es war ein Horrorfilm"

Augenzeugen:
Augenzeugen: "Es war ein Horrorfilm"(c) AP (Tarek Fawzy)
  • Drucken

Augenzeugen berichten von Massakern in Libyen. Gaddafis Schergen würden wild um sich schießen, Frauen vergewaltigen und willkürlich Menschen festnehmen.

Terror in Tripolis: Die Schergen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi schießen wild in alle Richtungen, sie nehmen willkürlich Menschen auf den Straßen der Hauptstadt fest, sie vergewaltigen Frauen. Augenzeugen berichten vom Wüten der Gaddafi-Anhänger in den vergangenen Tagen, von dem es so gut wie keine Bilder gibt - wer die Stadt verließ, wurde durchsucht, Fotos wurden beschlagnahmt.

"Ich habe ein Massaker gesehen", sagt eine 40-jährige Frau, die am Dienstag in Ben Guerdane auf der anderen Seite der Grenze zu Tunesien Zuflucht gefunden hat. "Sie haben auf Oppositionsanhänger gezielt, die rennend die Flucht ergriffen. Ich habe viele Schüsse gehört, Schreie. Ich habe Schützen gesehen, die auf Gebäudedächern kauerten oder auf der Straße, auch mit Säbeln bewaffnet", sagt die 40-jährige Tunesierin.

"Es war ein Horrorfilm"

Bis drei Uhr morgens sei geschossen worden, sagt Sami, ein 30-jähriger Maurer, der am Dienstag aus Tripolis floh. Im Viertel Jansur hätten Mitglieder der sogenannten Revolutionskomitees mit grünen Flaggen um den Kopf auf alle Menschen geschossen, die auf der Straße waren, berichtet Youssef Benhassan. "Es war ein Horrorfilm", so der 28-jährige Handwerker.

Für die hemmungslose Gewalt machen alle Befragten die Revolutionskomitees verantwortlich, eine der Säulen von Gaddafis seit 42 Jahren währender Herrschaft. Aber auch "afrikanische Söldner" schössen von den Häuserdächern im Vorort Gargaresch, sagt der Koch Ali Salah. Dort habe sich die Polizei zurückgezogen, weil die Bewohner begonnen hätten, sich zu wehren. Davon zeugten auch ausgebrannte Polizeiwachen, sagen viele Zeugen.

Auch die Militärs sind mancherorts von der Bildfläche verschwunden. Im Zentrum etwa seien die Angehörigen der Armee, die der sehr einflussreiche Theologe Scheich Youssef al-Kardawi zur Ermordung Gaddafis aufrief, nirgends zu sehen, berichtet der 25-jährige Koch Hamsa Mefthar. In Jansur dagegen werden die Soldaten beschuldigt, auf ihre Mitbürger geschossen zu haben. "Ich habe gesehen, wie sie etwa 60 Menschen festgenommen und an eine Wand gestellt haben, die Hände auf dem Kopf", sagt Benhassan. "Ich habe auch gesehen, wie Frauen von vermummten Männern vergewaltigt wurden."

Bürgerwehren bilden sich

An manchen Orten bildeten sich Bürgerwehren, etwa in Jansur. Dort hätten sich Libyer mit Stöcken bewaffnet, um ihr Viertel zu verteidigen, berichtet der 28-jährige Handwerker Farid Alwi. Andere bringen ihre Familien an ruhigere Orte. "Ich habe Familienväter gesehen, die mit ihren Kindern an der Hand in andere Viertel rannten", sagt Mefthar. Viele Geschäftsleute haben ihre Läden geschlossen, die verängstigten Menschen verbarrikadieren sich Augenzeugen zufolge zu Hause und leben von ihren Vorräten.

Doch alles, was die Zeugen berichten, können sie nicht anhand von Fotos oder Videos beweisen. "Als wir geflohen sind, hat man uns durchsucht und die Speicherkarten von Mobiltelefonen, Fotoapparaten und Kameras abgenommen", berichtet Sami. "Sie haben gesagt, dass sie nicht wollten, dass die Welt weiß, was hier geschieht."

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.