Nachbarschaftshilfe: Tunesisches Blut für Libyer

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In Privatinitiativen organisieren die Tunesier sechs Wochen nach ihrer Revolution Hilfe für ihre Nachbarn im Osten. Sie senden Güter an die libysche Grenze. Über Facebook haben Ärzte aufgerufen, Blut zu spenden.

Tunis. Die Nachrichten aus Libyen wühlen die Tunesier auf. Und wie schon bei der Jasmin-Revolution wird über Facebook mobilisiert. Asma Cherifi war die Erste. Am Montag um neun Uhr verbreitete sie übers Internet einen Appell, um Hilfe für die aus dem Reich Gaddafis geflüchteten Tunesier und Libyer zu organisieren. Zweieinhalb Stunden später trudelten die Pakete ein. Nun steht die 33-jährige Leiterin einer Werbeagentur mit Designerbrille neben der stacheldrahtumzäunten libyschen Botschaft vor Bergen von Kartons. Milchpackerln, Wasserflaschen, Nudelpaketen, Blutplasma.

Cherifi und ihre Freunde haben ohne jede staatliche Hilfe den Transport der Güter an die libysche Grenze organisiert. Jeden Abend starten einige Kleinbusse oder Lastwagen, die nach acht Stunden Fahrt die Ware in den Versorgungszentren in Ben Guerdane abgeben. Von den 60.000 Tunesiern, die in Libyen arbeiteten, sind inzwischen 15.000 in ihre Heimat zurückgekehrt. Seit Dienstag schickt Tunisair täglich ein halbes Dutzend Flugzeuge auf die Ferieninsel Djerba, um Flüchtlinge nach Tunis zu fliegen. Im Gegensatz zur Grenze zu Ägypten im Osten Libyens, die von Aufständischen kontrolliert wird, stehen an der Grenze zu Tunesien noch immer Gaddafis Beamte. Doch sie lassen alle ausreisen. Bloß wissen viele aus dem Landesinnern nicht, wie sie sich zur Grenze durchschlagen sollen.

Nicht nur Tunesiern wird geholfen, sondern auch den Libyern, die es schaffen, über die Grenze zu kommen. Viele haben Schussverletzungen. Cherifi und ihre Freunde haben sie – mithilfe libyscher Truppen, die sich auch im Westen des Landes vom Regime losgesagt haben – auf Schmuggelwegen über die Grenze gebracht.

In der Privatklinik El Amen in La Marsa, einem Nobelvorort von Tunis, herrscht Gedränge. Über Facebook haben Ärzte aufgerufen, Blut für Libyer zu spenden. „Etwa 400 Beutel mit 450 Gramm Blut werden wir in drei Stunden zusammenhaben“, schätzt Hedi Guelmeni, der Direktor der Klinik. Soldaten werden das Blut an die Grenze transportieren. Zahlreiche Kliniken haben die kostenlose Behandlung verletzter Libyer angekündigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2011)

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