Gaddafis Truppen richten "Blutbad" in Küstenstadt an

Schwere Gefechte erschuettern libysche
Schwere Gefechte erschuettern libysche(c) AP (Kevin Frayer)
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Der Diktator in Tripolis lässt die Stadt Zawiyah angreifen. Seine Getreuen "töten auch Kinder und Frauen", berichtet ein Augenzeuge. Der "Nationalrat" der Rebellen drängt auf eine Flugverbotszone.

Die Schlinge um den Hals von Diktator Muammar al-Gaddafi wird immer enger: Zahlreiche Polizeichefs sind übergelaufen, weitere Städte in der Hand der Rebellen und die Aufständischen nach eigenen Angaben auf dem Vormarsch Richtung Tripolis, Gaddafis letzter Festung. Der Machthaber ist aber offenbar weiter entschlossen, seine Ankündigung wahrzumachen und "bis zum letzten Tropfen Blut" zu kämpfen. Am Samstag ließ er seine verbliebenen Truppen Gegenangriffe auf die Rebellen fahren. In der Küstenstadt Zawiyah sollen sie ein Blutbad angerichtet haben.

"Sie töten viele Unschuldige"

Die Rückeroberungsoffensive der Gaddafi-treuen Kräfte konzentrierte sich am Samstag auf die von den Rebellen besetzte Stadt Zawiyah, nur 60 Kilometer von Tripolis entfernt und ein wichtiger Ölhafen. „Der Angriff hat begonnen“, sagte ein Bewohner gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Ich sehe mehr als 20 Panzer.“ Granaten schlugen im Zentrum ein; Soldaten hätten das Feuer auf Menschen eröffnet, hieß es aus übereinstimmenden Quellen. Ein anderer Augenzeuge berichtete: „Sie töten viele Unschuldige, Kinder und Frauen.“

"Ein echtes Massaker"

Ein Arzt berichtete später aus der Stadt, dass die Truppen Gaddafis ein Blutbad angerichtet hätten. "Das ist ein echtes Massaker. Die Lage ist katastrophal", sagte der Arzt in der etwa 60 Kilometer westlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Stadt am Samstag in einem Telefonat. Gaddafis Truppen hätten viele Menschen getötet. "Sie haben meine Tochter getötet", fügte er hinzu und brach in Tränen aus.

Kevin Frayer

Rebellen setzen auf "psychologischen Druck"

Auch in anderen libyschen Küstenstädten dauerten die Gefechte an. In der Hafenstadt Ras Lanuf, ein wichtiger Standort der Ölindustrie, dürften dabei zehn Menschen getötet worden sein. Die Stadt soll sich in der Hand der Aufständischen befinden. Ihnen gelang es nach eigenen Angaben, einen Kampfjet der Luftwaffe abzuschießen. Kampfjets hatten zuvor auch die Küstenstädte Brega und Ajdabiyah bombardiert.

Die Rebellen wollen unterdessen weiter nach Westen vorrücken – in Richtung Sirte, einer Hochburg Gaddafis, 220 Kilometer westlich von Ras Lanuf. „Der Plan ist es, Schritt für Schritt in ihre Richtung vorzurücken, um sie zum Rückzug zu drängen“, sagte Oberst Bashir Abdelkadir.

"Nationalrat" fordert Flugverbotszone

Der sogenannte „Nationalrat“ der Aufständischen aus dem Landesosten ist am Samstag zum ersten Mal zusammengetreten. Das Gremium forderte die internationale Gemeinschaft, eine Flugverbotszone über dem Land einzurichten. Gaddafi solle auf diese Weise daran gehindert werden, "sein eigenes Volk zu bombardieren", hieß es. Ein Eingreifen ausländischer Truppen auf libyschem Boden werde hingegen strikt abgelehnt. Dem Nationalrat gehören 31 Komitees aus "befreiten" Städten an.

Die USA und andere Nato-Staaten ziehen unterdessen starke Einheiten auf dem großen Stützpunktvon Souda im Westen der griechischen Mittelmeerinsel Kreta zusammen.

Die Regierung in Tripolis hat den drei niederländischen Marinefliegern, die bei einer missglückten Befreiungsaktion von zwei Landsleuten in der Stadt Sirte in Gefangenschaft geraten sind, unterdessen Spionage vorgeworfen. Das berichtete der niederländische Rundfunk NOS am Samstag unter Berufung auf das libysche Staatsfernsehen.

--> Libysches Video von den gefangenen Soldaten

„Ziel dieses Hubschrauber-Einsatzes war es, Spione entweder abzuholen oder abzusetzen“, berichtete der Sender. Gleichzeitig wurde von einer „internationalen Verschwörung“ gegen Libyens Machthaber Muammar Gaddafi gesprochen.

191.000 Menschen außer Landes geflohen

Der Konflikt in Libyen hat zu einer gewaltigen Fluchtbewegung geführt: Laut UNO sind bisher mehr als 191.000 Menschen vor der Gewalt in Libyen außer Landes geflohen. Rund 10.000 Menschen seien derzeit auf dem Weg zur ägyptischen Grenze, wo sie in zwei oder drei Tagen eintreffen dürften, teilte die Organisation mit. Bis Donnerstag seien mehr als 104.000 Menschen nach Tunesien, 85.000 nach Ägypten und 4000 nach Algerien geflohen. Die Mehrheit der Flüchtlinge seien Gastarbeiter.

Aufstand in Libyen

Seit mehr als zwei Wochen rebellieren in Libyen Menschen gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi. Die Demonstranten sind Beobachtern zufolge überwiegend nicht religiös motiviert, sondern lehnen sich gegen Unterdrückung und Armut auf.

/>Gaddafi hat die Kontrolle über weite Teile des Landes bereits verloren. Er verschanzt sich in der Hauptstadt Tripolis und lässt Luftangriffe auf von den Rebellen kontrollierte Städte fliegen. Einen Rücktritt lehnt er strikt ab.

(Ag./Red./Som)

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