Ägypten: Kampf um hochbrisante Geheimdienst-Akten

aegypten Kampf GeheimdienstAkten
aegypten Kampf GeheimdienstAkten(c) REUTERS (STR)
  • Drucken

Demonstranten haben die Zentrale des Geheimdienstes gestürmt. Dort sollten angeblich brisante Akten über die Mubarak-Ära vernichtet werden. In Kairo stand ein Gebäude der ägyptischen Staatssicherheit in Flammen.

Drei Wochen nach der Entmachtung des langjährigen Staatschefs Hosni Mubarak ist in Ägypten der Kampf um hochbrisante Akten der Staatssicherheit entbrannt. Mehrere hundert Demonstranten stürmten in der Nacht auf Samstag das Hauptquartier des Geheimdienstes in der Hafenstadt Alexandria. Dabei kam es zu Straßenschlachten mit Sicherheitskräften, die Tränengas und scharfe Munition einsetzten, während die Angreifer mit Molotow-Cocktails vorgingen, berichtete das Internet-Portal "almasryalyoum". Mindestens ein Demonstrant wurde von einem Geschoß in die Brust getroffen und ins Krankenhaus gebracht.

Die Aktion richtete sich gegen angebliche Versuche der Staatssicherheitsbehörde, belastende Akten aus der Mubarak-Ära zu vernichten, sagten Teilnehmer. Einer Gruppe von Demonstranten gelang es, in das Gebäude einzudringen und Akten zu sichern. Diese wurden der Armee übergeben. Zugleich sahen sie auch die Überreste von bereits zuvor mit dem Reißwolf vernichteten Dokumenten. Die Armee brachte die im Gebäude befindlichen Offiziere und Mitarbeiter des Staatssicherheitsamts in Sicherheit, berichteten ägyptische Medien am Samstag.

Geheimdienst mit katastrophalem Ruf

Die Auflösung des Geheimdienstes und die Aufarbeitung der Rolle der Staatssicherheit während der Massenproteste in Ägypten ist eine der letzten noch offenen Forderungen der Reformbewegung. Am Vortag hatten Tausende auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo den neuen Regierungschef Essam Sharaf daran erinnert.

Der Geheimdienst hatte in Ägypten in den Jahrzehnten seit der Revolution von 1952 und dem Sturz der Monarchie hauptsächlich der Unterdrückung der Bevölkerung gedient. Er betrieb - nach dem Vorbild der ehemals kommunistischen Ostblockstaaten - ein Netz von Agenten und Spitzeln, das in alle Bereiche der Gesellschaft reichte. Geheimdienstgefängnisse waren Orte schrecklicher Folterungen.

Gebäude der Staatssicherheit in Flammen

Am Rande der ägyptischen Hauptstadt Kairo ist am Samstag  ein Gebäude der Staatssicherheit in Flammen aufgegangen. Wer den Brand legte, war zunächst nicht klar. Einige Augenzeugen berichteten, Polizisten hätten in dem Gebäude Dokumente verbrannt. Die Polizei erklärte dagegen, Bürger hätten das Feuer gelegt. Viele Ägypter werfen der Staatssicherheit vor, mit Gewalt versucht zu haben, den Aufstand gegen den mittlerweile gestürzten Präsidenten Mubarak zu unterdrücken. Bei Demonstrationen waren 300 Menschen getötet worden

Prozess gegen Ex-Innenminister

Seit Samstag muss sich auch der Ex-Innenminister Habib al-Adli wegen des Verdachts auf Geldwäsche vor Gericht verantworten - das erste Verfahren gegen ein Mitglied der Regierung Mubarak. Allerdings hat der Richter den Prozess umgehend auf 2. April vertagt. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten rund 150 Menschen. Sie verlangten, dass al-Adli auch wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt wird.

Al-Adli ist in den Augen vieler für ein Polizeikorps verantwortlich, in dem die Korruption grassiert, und das bei der Unterdrückung oppositioneller Strömungen systematisch gefoltert hat. Er soll auch die Befehle erteilt haben, als die Sicherheitskräfte in den ersten Tagen der Proteste gegen Mubarak Ende Jänner mit äußerster Brutalität und Waffengewalt gegen die friedlichen Demonstranten vorgegangen waren. 350 Menschen waren dabei nach offiziellen Angaben getötet worden.

Er war eine Woche nach dem Umsturz festgenommen worden. Die Proteste gegen die Herrschaft von Mubarak hatten sich auch ausdrücklich gegen el Adli gerichtet, der in weiten Teilen der Bevölkerung seit langem verachtet wurde. Nach dem Sturz Mubaraks waren mehrere Mitglieder der Führungsriege mit einem Ausreiseverbot und Kontensperrungen belegt worden. Mehrere Vertraute des früheren Staatschefs wurden festgenommen.

Verfassungsänderungen stehen zur Wahl

Indes wurde bekannt, dass die Ägypter am 19. März nur über Modifizierungen der bestehenden Staatsordnung abstimmen werden. Das vom regierenden Obersten Militärrat unter Vorsitz von Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi eingesetzte achtköpfige Verfassungskomitee hat zehn Verfassungsänderungen vorgeschlagen, die insbesondere die Modalitäten der Wahl des Staatspräsidenten betreffen. Die Bürger werden über die Vorschläge des Expertengremiums abstimmen, wie die Regierung in Kairo jetzt auf ihrer Website bekanntgab.

Viele Ägypter fordern dagegen eine völlig neue Verfassung für ihr Land. Nach Ansicht des Expertenkomitees soll sich damit aber erst das nächste Parlament befassen. Zu der Volksabstimmung im März werden alle Bürger zugelassen sein, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dabei genügt die Vorlage des Personalausweises. Unter dem Regime von Hosni Mubarak war die Wahlberechtigung von einer schwer erhältlichen speziellen Wählerkarte abhängig. Deshalb war die Wahlbeteiligung auch gering.

(Ag.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.