Dalai Lama gibt politische Führung ab

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ChinaDas Oberhaupt der Tibeter hat seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Chinas Führung ist dennoch nervös – und lässt keine Ausländer nach Tibet. In Klöstern sind Überwachungskameras aufgehängt.

Peking. Der Dalai Lama hat seinen Wunsch bekräftigt, sich aus der Politik zurückziehen. In einer Erklärung, die gestern an seinem Sitz im indischen Exil in Dharamsala veröffentlicht wurde, kündigte der tibetische Religionsführer an, dass er seine politischen Funktionen an einen gewählten Amtsträger abgeben wolle.

Beim kommenden Kongress des tibetischen Exilparlaments, der am 14. März beginnt, werde er formal eine Änderung der entsprechenden Statuten in der tibetischen Exil-Charta beantragen. „Mein Wunsch, politische Autorität abzugeben, bedeutet nicht, dass ich mich vor der Verantwortung scheue“, heißt es in der Erklärung. „Er ist zum langfristigen Nutzen der Tibeter.“

Bereits im vergangenen November hatte der Dalai Lama sein Vorhaben publik gemacht. Unklar ist, was sich künftig verändert, da der 75-Jährige unter Tibetern im Exil wie innerhalb der Volksrepublik sehr hohes Ansehen genießt.

Die neue Rückzugsankündigung des Dalai Lama fällt in eine für die Tibeter – innerhalb der Volksrepublik China ebenso wie im Exil – besonders spannungsgeladene Zeit: In diesen Wochen jähren sich zahlreiche politisch heikle Ereignisse in Tibet. Auf der chinesischen Seite der Grenze versuchen die Behörden deshalb noch schärfer als sonst, jeden Ansatz von Protesten im Keim zu ersticken.

Sperre wegen „kühlen Wetters“

Für ausländische Touristen ist Tibet derzeit gesperrt, Reisebüros dürfen keine internationalen Gäste nach Lhasa oder in andere tibetisch besiedelte Orte bringen.

Tibets kommunistischer Parteichef Zhang Qingli, der mächtigste Mann der Region, begründete das allgemeine Besuchsverbot für März auf dem Nationalen Volkskongress in Peking kühl mit schlechtem Wetter, fehlenden Hotels und der Sorge um die Sicherheit der Touristen angesichts einer Reihe von tibetischen Gedenktagen. Vor 60 Jahren marschierte die chinesische Armee in Lhasa ein. Und am gestrigen 10. März jährte sich zum 52. Mal der tibetische Aufstand von 1959 gegen die Pekinger Regierung. Damals flüchtete der Dalai Lama mit rund hunderttausend Tibetern nach Indien.

Anlässlich dieses Gedenktags kam es im Jahr 2008 zu Protesten von Mönchen. Nach dem Einsatz der Polizei schlugen die Proteste in einen gewaltsamen Aufstand um. Dabei griff ein Mob von Tibetern Zuwanderer aus anderen Teilen Chinas an und steckte ihre Geschäfte in Brand. Die Regierung in Peking reagierte scharf, seither steht Tibets Hauptstadt ebenso wie andere Orte und Klöster unter einer Art permanentem Ausnahmezustand mit massivem Einsatz von Einheiten der bewaffneten Polizei, die dem Militär untersteht.

In Klöstern sind Überwachungskameras aufgehängt und Polizeieinheiten stationiert worden. Dennoch unterzeichneten zahlreiche Tibeter im vergangenen Jahr eine Petition für tibetisch-muttersprachlichen Unterricht an den Schulen. Die Behörden entschieden, verstärkt han-chinesische Klassen einzurichten – mit der Begründung, dass dies die Konkurrenzfähigkeit der Tibeter gegenüber der Han-chinesischen Mehrheit im Land verbessere.

Nomaden sollen sesshaft werden

In der zensierten chinesischen Presse erschien in diesen Tagen wenig über die Situation in Tibet – bis auf Lobpreisungen von Pekings Bemühungen, die Wirtschaft der Region zu entwickeln und die Umwelt zu schützen. Dazu gehört der unter Tibetern umstrittene Plan, in den nächsten fünf Jahren einen großen Teil der tibetischen Nomaden sesshaft zu machen, um das Hochland vor Überweidung und Verwüstung zu schützen.

Zur Person

Der Dalai Lama ist das geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter. Nun hat er seinen Rückzug als Führer der tibetischen Exilregierung angekündigt. Der Sohn armer Bauern namens Lhamo Dhondrub wurde 1935 geboren, als Dreijähriger entdeckt und zog 1940 in den Potala-Palast in Lhasa als 14. Dalai Lama ein. 1950 marschierten die Chinesen in Tibet ein, 1959 floh er mit Anhängern ins indische Exil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11. März 2011)

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