Russlands letzte Hürde vor dem WTO-Beitritt

Russlands letzte Huerde WTOBeitritt
Russlands letzte Huerde WTOBeitritt(c) EPA (Rolex Dela Pena)
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Georgien knüpft seine Zusagen an Bedingungen - kein anderer Staat hat in den vergangenen Jahren derart viele Konflikte mit Russland ausgetragen. Die Lage ist verzwickt, die Schweiz vermittelt.

Moskau. Auf seinem hürdenreichen Weg in die Welthandelsorganisation WTO hat Russland nun die allerletzte Barriere in Angriff genommen. Diese freilich gestaltet sich schwieriger als so manche Widrigkeit in dem mittlerweile 17 Jahre langen Beitrittsprozess. Dabei ist Georgien, das sich Russlands Mitgliedschaft bislang widersetzt und mit dem die Verhandlungen kürzlich in Bern begonnen haben, nur ein kleines Land. Kein anderer Staat hat in den vergangenen Jahren derart viele Konflikte mit Russland ausgetragen. Im August 2008 hatte sich das Land sogar in einem Krieg mit Russland befunden. Damals hatte Russland so gut wie im Alleingang die von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängig anerkannt.

Direkte Gespräche zwischen Russland und Georgien haben seither nicht stattgefunden. Und auch die jetzigen WTO-Beitrittsverhandlungen werden über Vermittlung des Schweizer Staates, der seit dem Krieg die gegenseitigen Interessen der beiden Länder vertritt, geführt. Die Lage ist verzwickt, weil Georgiens Politik und Wirtschaft in diesem Fall eng miteinander verquickt die letzte große Chance auf einen hohen Preis für ein Einlenken wittert.

Zwar wird nicht die Rückgabe der verlorenen Gebiete, jedoch die Einrichtung einer international organisierten Zollkontrolle an der Grenze zwischen Georgien und den verlorenen Gebieten verlangt. Die Forderung lehnt sich an ein Modell an, dass im Konfliktgebiet an der Grenze zwischen der Ukraine und Transnistrien von einer EU-Grenzmission administriert wird.

Wie schon früher spricht Russland von unrealistischen Forderungen. Jedenfalls sind sie heikler als Georgiens zweite und auch zweitrangige Forderung an Moskau, das 2006 ausgerufene Handelsembargo gegen Georgien aufzuheben. Russland hat damals als Rache für die Verhaftung russischer Geheimdienstler in Georgien die totale Handelsblockade verhängt, sodass Georgien auf seinen Exportschlagern Mineralwasser und Wein sitzen geblieben ist.

Die Wiederaufnahme der bilateralen Gespräche fällt zeitlich und wohl auch ursächlich mit dem Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden in Moskau zusammen. Biden hat dort Russland die Unterstützung für den Beitritt zugesagt. Die USA selbst haben schon im September des Vorjahres grünes Licht gegeben, halten allerdings bis heute an der leidigen Jackson-Vanik-Klausel und damit Handelsbeschränkungen gegen Russland fest. Die Klausel ist 1974 eingeführt worden und hat die Entwicklung der Beziehungen mit der seinerzeitigen Sowjetunion von einer ungehinderten Emigrationsmöglichkeit für sowjetische Juden nach Israel abhängig gemacht. Die offiziellen US-Aussagen haben sich vergangene Woche in die Richtung, dass die Klausel nun doch in diesem Jahr abgeschafft werde, verdichtet.

USA wollen Georgien locken

Dass auch der Schlüssel zum Einlenken der Georgier in den USA liegt, steht für Beobachter fest. Offen ist, wie Biden seinen befreundeten georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili locken kann. Kolportiert werden günstige Kredite oder andere Formen der Wirtschaftshilfe für das Land, das auch im Öl- und Gastransit eine bedeutende Rolle spielt.

Der Gang der Verhandlungen in Bern wird auch ein Licht darauf werfen, wie sehr Russland den Beitritt wirklich will. Im Moment schießt sich die Führung auf einen Beitrittstermin in diesem Jahr ein. Ähnliche Festlegungen hat es im vergangenen Jahrzehnt öfter gegeben, wurden aber auch auf Druck unterschiedlicher Lobbygruppen immer wieder verworfen. Dabei würde ein Beitritt nicht nur Exporteuren Möglichkeiten eröffnen, ihre Interessen zu verteidigen, er würde auch Anreize liefern, die eigene Produktion zu modernisieren, wie der regierungsnahe russische Ökonom Wladimir Mau kürzlich in einem Beitrag für das „Forbes-Journal“ festhielt. Und als bedeutend hinzufügte: Mit einem WTO-Beitritt würde die Entwicklung der unterentwickelten Konkurrenz gefördert und damit auch der Einfluss der nach wie vor großen und wenigen finanzindustriellen Gruppen in Russland beschränkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2011)

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