Deutschland: Rechtliche Bedenken zum AKW-Moratorium

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Die Opposition und mehrere Juristen zweifeln an der Rechtmäßigkeit der AKW-Abschaltung. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die AKW-Abschaltung als rechtlich gedeckt und nennt die Debatte "spitzfindig".

Berlin/E.m./Ag. Während in Deutschland im Zuge des Moratoriums die ersten Atomkraftwerke vom Netz gegangen sind, gibt es rechtliche Bedenken zum Vorgehen der Regierung. Diese lässt das neue Atomgesetz in Kraft und begründet die Abschaltung mit Paragraf 19, Absatz 3. Dort ist geregelt, dass Kernkraftwerke in Notlagen vorübergehend oder ganz stillgelegt werden können. Nach Ansicht von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) genügt der Verdacht einer Gefahr für die vorläufige Abschaltung. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die AKW-Abschaltung als rechtlich gedeckt: „Das ist ein Ausdruck äußerster Gefahrenvorsorge.“

Die Opposition und mehrere Juristen zweifeln jedoch an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme und geben möglichen Klagen der Konzerne wegen Einnahmeausfällen gute Chancen, weil der atomare Sonderfall für die Anwendung von Paragraf 19 nicht vorliege. Er sei für Stilllegungen bei „akuter Gefahr“ gedacht. Der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, wertete das Vorgehen der Regierung als verfassungswidrig: „Es ist verfassungsrechtlich selbstverständlich, dass die Bundesregierung nicht die vorläufige Außerkraftsetzung eines Gesetzes anordnen kann“, sagte er dem „Handelsblatt“. Selbst Merkels Parteikollege Bundestagspräsident Norbert Lammert äußerte Zweifel daran, dass die atompolitischen Maßnahmen ohne Zustimmung des Bundestags zulässig sind.

SPD und Grüne scheiterten am Donnerstag im Bundestag mit dem Vorstoß, einen beschleunigten Atomausstieg per Gesetz zu verankern. Es kam zu einem heftigen Schlagabtausch. Die Opposition, die auf eine definitive Rücknahme der Laufzeitverlängerungen drängt, wirft Merkel Trickserei und Täuschung der Bürger vor den anstehenden Landtagswahlen vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2011)

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