Präsident Saleh will Macht in „sichere Hände“ legen

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Jemen. Staatsoberhaupt beriet sich mit abtrünnigem Kommandanten Ali Mohsen über weiteres Vorgehen. In der Hauptstadt Sanaa demonstrierten wieder Hunderttausende für einen sofortigen Rücktritt Ali Salehs.

Wien/Sanaa/Ag. somWien/Sanaa/Ag. Es waren ungewohnte Worte aus dem Mund des jemenitischen Langzeitpräsidenten Ali Saleh: „Wir wollen keine Macht“, sagte er am Freitag bei einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, umringt von seinen Unterstützern. „Aber wir müssen die Macht in sichere Hände übergeben, nicht in kranke, aufgebrachte oder korrupte Hände.“

„Kranke, korrupte Hände“: Damit zielte Saleh auf die Opposition, die er denn auch als „kleine Minderheit von Drogenhändlern“ bezeichnete. Offensichtlich plant Saleh seinen Rückzug – allerdings nicht in der Geschwindigkeit, wie dies die Demonstranten auf den Straßen Sanaas am gestrigen „Tag der Abreise“ (ein Motto, natürlich auf Saleh selbst gemünzt) forderten. Ein paar Tage zuvor hatte der Präsident bereits Parlamentswahlen bis Jahresende 2011 angekündigt und versprochen, dabei nicht mehr antreten zu wollen.

Abdanken und Ausreise

Salehs Machtübergabe dürfte indes bereits vorbereitet werden: Am Freitagnachmittag fanden Gespräche zwischen dem Präsidenten und seinem Halbbruder, dem abtrünnigen Kommandanten Ali Mohsen, über eine mögliche Machtübergabe statt – angeblich unter dem Beisein von US-Diplomaten.

Eine kolportierte Variante: Beide Männer ziehen sich von der Macht zurück und reisen mitsamt ihren Familien aus. Einem Bericht des „Wall Street Journals“ zufolge könnte nach dem Rücktritt der beiden mächtigen Männer eine zivile Übergangsregierung die Macht übernehmen.

Doch seine aufgebrachten Gegner scheinen den Ankündigungen Salehs keinen Glauben mehr zu schenken. Bislang schlug die Opposition seine Kalmierungsversuche aus und forderte weiter den sofortigen Rücktritt Salehs.

Auch am gestrigen „Tag der Abreise“ versammelten sich Hunderttausende, die für ein Ende der 32-jährigen Präsidentenära demonstrierten. Ein Teil der Menge versuchte in Richtung des Präsidentenpalastes zu marschieren. Regierungstreue Sicherheitskräfte gaben daraufhin Warnschüsse ab.

Auch ausdrückliche Befürworter der Regierung gingen auf die Straße. Sie versammelten sich zu einem „Freitag der Toleranz“. Einige von ihnen trugen Waffen und schwenkten traditionelle jemenitische Dolche. Auf ihren Bannern stand zu lesen: „Nein zum Chaos, Ja zu Sicherheit und Stabilität.“

Angst vor Eskalation

Die Lage in Sanaa war angespannt und die Gefahr einer militärischen Eskalation zum Greifen nahe. „Die Regierung kann sich nicht einfach ihren Weg aus der Krise schießen“, sagte Philip Luther, stellvertretender Direktor der Menschenrechtsorganisation Amnesty International für den Nahen Osten. „Ob in Uniform oder in Zivil, die Sicherheitskräfte müssen sofort daran gehindert werden, mit scharfer Munition gegen unbewaffnete Demonstranten vorzugehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2011)

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