EU-Diplomaten warnen vor einem „neuen Ruanda“

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Ähnlichkeiten mit Völkermord in Afrikas Große-Seen-Region seien „besorgniserregend.“ Binnen der letzten Tage hat sich die Not der Menschen in der Elfenbeinküste drastisch verschlimmert.

Brüssel. Angesichts einer Million Vertriebener, des Ausbruchs der Cholera und immer lauterer Aufrufe zu ethnisch motivierter Gewalt warnen EU-Diplomaten davor, dass der Konflikt in der Elfenbeinküste zu einer grenzüberschreitenden Katastrophe ausufern könnte, wie sie im letzten Jahrzehnt Millionen Tote in der Region der Großen Seen in Zentralafrika gefordert hat.

Die Ähnlichkeiten mit der Lage vor dem Massaker in Ruanda seien „besorgniserregend“, sagte ein hoher Beamter aus dem Team von Catherine Ashton, der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, am Montag in Brüssel. Neulich seien Gerüchte aufgekommen, der abgewählte, aber nicht zurücktretende Präsident Laurent Gbagbo habe die ihm loyalen Staatsdiener aufgefordert, angesichts schwindender Geldmittel „selbst hinauszugehen und sich das zu holen, was ihnen zusteht“.

Binnen der letzten Tage hat sich die Not der Menschen in der Elfenbeinküste drastisch verschlimmert. Noch am 17. März erklärte Kristalina Georgiewa, die EU-Kommissarin für Humanitäre Hilfe, mehr als 380.000 Ivorer seien im Zuge der Unruhen seit Mitte Dezember vertrieben worden, rund 80.000 davon seien ins Ausland geflohen, vor allem nach Liberia. Am Montag sprachen Ashtons Experten bereits von einer Million Vertriebenen und 100.000 ins Ausland Geflohenen. Erstmals in diesem Konflikt sei die Cholera ausgebrochen, „ein Zeichen für ein zusammenbrechendes Sanitärsystem“, wie der EU-Beamte sagte. Das Rote Kreuz und „Ärzte ohne Grenzen“ müssten täglich aufs Neue mit beiden Parteien über den Zugang zu den Hilfsbedürftigen verhandeln. Die Autos der UN-Hilfsorganisationen würden regelmäßig angegriffen, denn in den Augen der Gbagbo-Partei hat die UNO ihre Unparteilichkeit verloren, weil sie ihn zur Anerkennung seiner Wahlniederlage auffordert.

Einen Hoffnungsschimmer gebe es: Alle Nachbarländer seien geschlossen gegen Gbagbo. „Noch ist die Option offen, dass er geht, bevor zu viele Menschen getötet werden“, sagte der EU-Beamte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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