USA als zweite Geige im Libyen-Einsatz

(c) AP (Charles Dharapak)
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Intervention, wo es zwingend notwendig erscheint. Aber Rückzug von vorderster Front, sobald Alliierte in Bresche springen. Obama zeichnete Muammar Gaddafi als skrupellosen Diktator und Terroristen.

Washington. Aus dem Präsidenten sprach der Idealist, aus dem Oberbefehlshaber der Friedensnobelpreisträger – und nebenbei der Politiker, der seine Wiederwahl im kommenden Jahr sichern will. Barack Obama vereinte teils widersprüchliche Aspekte seiner politischen Rolle in seiner differenzierten Rede zum Libyen-Einsatz in der Verteidigungsakademie in Washington, in der er Konturen einer „Obama-Doktrin“ skizzierte.

„Es wäre ein Verrat an uns selbst gewesen, Amerikas Verantwortung als Führungsmacht und gegenüber seinen Mitmenschen beiseitezuwischen. Andere Nationen mögen sich von Grausamkeiten in anderen Staaten abwenden können. Die USA sind da anders“, postulierte der Präsident. „Ich wollte nicht die Bilder von Massakern und Massengräbern abwarten, ehe wir eingreifen.“

Obama zeichnete Muammar Gaddafi als skrupellosen Diktator und Terroristen, der nicht gezögert hätte, die Rebellenhochburg Bengasi auszuräuchern, und eine Fluchtbewegung in Gang gesetzt hätte, die womöglich den Demokratisierungsprozess in den Nachbarländern Ägypten und Tunesien ins Wanken gebracht hätte.

„Gaddafis Vormarsch ist gestoppt“, verkündete der US-Präsident als ersten Erfolg der Mission unter dem Titel „Odyssey Dawn“. Im Gegensatz zu vielen US-Politikern und Sicherheitsexperten betonte er, die Interessen der USA in der Region stünden sehr wohl auf dem Spiel. Hätte die Weltgemeinschaft Gaddafi walten lassen, hätte dies ein abschreckendes Beispiel abgegeben und zugleich Diktatoren seines Schlags ermutigt.

Ein Getriebener

In der Causa Libyen erschien Obama wie ein Getriebener: ein Zaudernder, der durch den Druck von außen zum Handeln gezwungen wurde; ein Kommunikator, der sich – nicht zum ersten Mal – nicht verständlich machen konnte. Während eines Südamerika-Trips blieb er für die US-Öffentlichkeit außer Reichweite. Überhaupt versuchte die US-Regierung, die Militäroperation herunterzuspielen. Unter keinen Umständen sollte der Eindruck eines neuerlichen Abenteuers à la Irak aufkommen. „Das können wir uns nicht leisten“, erklärte Obama.

Limitierter Einsatz, keine Bodentruppen, Kommandoübergabe an die Alliierten, die US-Armee als Juniorpartner in einer Militärkoalition: So lautet die Losung Washingtons, die bei den Konservativen sogleich Zweifel an der Führungsstärke des Präsidenten säte. Wann hatten die USA je militärisch die zweite Geige gespielt? Hat Libyen einen Präzedenzfall geschaffen – für eine Intervention in Syrien, Bahrain, im Jemen und letztlich im Iran? Fragen über Fragen drängten sich auf, Obama blieb deren Antworten schuldig.

Der Präsident agiert weiter auf dem Drahtseil der Weltpolitik. Er präsentierte sich als Freund des demokratischen Umschwungs in der arabischen Welt, dessen Tempo die USA indes nicht diktieren könnten, wie er sagte. Einen Regimewechsel in Tripolis als Ziel der Militäraktion schloss Obama erneut aus. „Diesen Weg haben wir im Irak beschritten“, winkte er ab. Ein Sturz Gaddafis bleibe dennoch ein wünschenswerter Effekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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