Gaddafi-Söhne suchen Gespräch mit Westen

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Ex-Premier bestätigt Kontakte: Regimevertreter wollen offenbar eine "gesichtswahrende" Lösung aushandeln. Ihre Verhandlungsposition hat sich zuletzt militärisch verbessert.

London/Bengasi/Reuters/Hd. Die Gerüchte hatten sich seit Tagen hartnäckig gehalten: Einige der sieben Söhne von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi, allen voran der in Wien gut bekannte Saif al-Islam, würden über Mittelsmänner in westlichen Hauptstädten über eine Exit-Strategie verhandeln. Sie hätten dazu ihre Fühler nach Wien, London und Paris ausgestreckt, hieß es. Die Information stammte ursprünglich aus US-Geheimdienstkreisen und konnte zunächst auch nicht erhärtet, geschweige denn mit Details versehen werden.

Das hat sich nun geändert: Wie die britische Zeitung „Guardian“ am Freitag berichtete, hat ein enger Vertrauter Saifs in den vergangenen Tagen Geheimgespräche mit den britischen Behörden geführt. Dass Mohammed Ismail tatsächlich nach London gereist ist, daran besteht wenig Zweifel: Dies behaupten nicht nur die Informanten der Zeitung aus dem Regierungsapparat, es wird auch bestätigt durch die regierungsunabhängige Organisation „Quilliam Foundation“, die beste Kontakte in Libyen hat.

Auch Libyens Ex-Premier Abdul Ati al-Obeidi bestätigte die Berichte: „Wir versuchen mit den Briten, den Franzosen und den Amerikanern zu reden, um das Töten von Menschen zu stoppen.“ Man wolle eine für alle Seiten akzeptable Lösung finden“, sagte al-Obeidi dem Sender „Channel 4“.

Exil statt Strafgerichtshof?


Noman Benotman von „Quilliam“ behauptet, Ismail habe ein Szenario unterbreitet, in dem einige der Gaddafi-Söhne faktisch die Macht übernehmen würden und ihr Vater gesichtswahrend in den Hintergrund träte.
Die westlich-arabische Anti-Gaddafi-Koalition ist sich weitgehend einig darin, dass es für den Diktator in Libyens Nachkriegsordnung keinen Platz gibt: „Er kann nicht Teil der Lösung sein“, sagte ein europäischer Diplomat unlängst vor Journalisten in Wien. Diskutiert werden derzeit zwei Lösungen: eine offiziell, eine hinter den Kulissen. Offiziell verpflichten die jüngsten UN-Resolutionen die Staatengemeinschaft dazu, den Diktator dem Internationalen Strafgerichtshof zu übergeben. Dass dies passieren wird, ist unrealistisch. Teil eines Deals könnte allenfalls eine Exil-Lösung sein: „Wenn es eine Möglichkeit gäbe, Gaddafi aus der Gleichung herauszunehmen, wird wohl kaum jemand sagen: ,Nein, das sollten wir nicht so machen‘“, beschreibt der Diplomat die Stimmung in der Allianz. Offen ausgesprochen hat sich dafür bisher nur Italien, früher Gaddafis wichtigster Verbündeter in Europa.

Derzeit dürfte Gaddafi senior dazu aber wegen des Kriegsverlaufs nicht den geringsten Anlass sehen: Am Freitag stürmten ihm loyale Truppen offenbar die Stadt Misurata, die letzte Bastion der Rebellen im Westen des Landes. Mehrere Wochen hatten sich die Aufständischen in der belagerten Stadt gegen die Übermacht zur Wehr gesetzt. Gaddafis Truppen hatten den massiven Artilleriebeschuss am Freitag noch einmal intensiviert: „Das Bombardement war ungezielt und sehr intensiv“, sagte ein Sprecher der Rebellen: „Man kann die Zerstörungen gar nicht beschreiben, die Stadt ist nicht wiederzuerkennen.“ Einrückende Soldaten hätten bereits mit Plünderungen begonnen.

Rebellen: Bedingungen für Waffenruhe


Laut einem Augenzeugen habe das Regime die berüchtigte Brigade geschickt, um die Kontrolle über Misurata zu übernehmen. Diese Eliteeinheit steht offiziell unter dem Kommando des jüngsten Gaddafi-Sohns Khammis, wobei allerdings nicht klar ist, ob dieser überhaupt noch am Leben ist. Die Rebellen geraten also immer mehr in die Defensive und schafften es am Freitag auch nicht, die wichtige Ölstadt Brega zurückzuerobern. Ein Grund ist die zuletzt wegen schlechten Wetters eingeschränkte Luftunterstützung durch die Nato-geführte Allianz. Die Rebellen sahen sich am Freitag erstmals gezwungen, Bedingungen für einen Waffenstillstand zu nennen. Bedingungen, deren Erfüllung derzeit unrealistisch erscheint: „Unsere wichtigste Forderung ist die Ausreise von Gaddafi und seinen Söhnen. Da werden wir keinen Rückzieher machen.“

Ein Waffenstillstand würde auch den steten Strom an Flüchtlingen verlangsamen: In den vergangenen Wochen hätten alleine in Tunesien 220.000 Libyer Zuflucht gesucht, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Die EU-Kommission hat die Staaten der Union aufgefordert, „einige Tausend“ libysche Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Eine konkrete Zusage habe es bisher allerdings nur von Schweden gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2011)

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