Aufregung um Sarkozys Islamdebatte

(c) AP (Remy de la Mauviniere)
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Auf Drängen des Präsidenten will die französische Regierungspartei UMP jedes Zeichen religiöser Zugehörigkeit aus dem öffentlichen Dienst verbannen. Bereits seit Jahren gilt ein Kopftuchverbot an den Schulen.

Paris. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy versucht nach den verheerenden Umfrageergebnissen der vergangenen Wochen nun offenbar auch mit dem Thema Islam zu punkten: Trotz Warnungen und Protesten auch aus eigenen Reihen hielt die französische Regierungspartei UMP eine Debatte über die Rolle des Islam in Frankreich ab, in der über die Frage der Vereinbarkeit muslimischer Glaubenspraktiken mit den Grundsätzen der weltlichen Republik diskutiert wurde. Anschließend präsentierte die UMP 26 Maßnahmen, die das Leben in der laizistischen Republik regeln sollen.

So soll es etwa künftig untersagt sein, auf der Grundlage religiöser Überzeugungen „gemeinsame Regeln in den Beziehungen zwischen Lokalkörperschaften und Privatbürgern zu umgehen“. Zudem verlangt die UMP, die von Staatsbediensteten geforderte religiöse Neutralität auf „zeitweilige Mitarbeiter“ des öffentlichen Dienstes auszudehnen: Auch Frauen in privaten Kindergärten solle etwa das Tragen eines Schleiers untersagt werden.

Bereits seit Jahren gilt ein Kopftuchverbot an den Schulen. In diesem Monat tritt ein Verbot der Ganzverschleierung mit Niqab oder Burka in der Öffentlichkeit in Kraft. Nun will der Innenminister Claude Gueant auf Basis des UMP-Konvents alle „Zeichen religiöser Zugehörigkeit“ in einem umfassenden Gesetz aus allen staatlichen Diensten verbannen.

Sarkozy: „Will keine Minarette!“

Er schüttete noch Öl ins Feuer der Polemik, indem er offen erklärte, die wachsende Zahl von muslimischen Gläubigen und ihre Praktiken stellten für ihn ein Problem dar. Auch laut Sarkozy sorgt der Islam für „Unbehagen“: „Ich will noch weiter gehen: Ich will keine Minarette, keine Gebete auf öffentlichem Grund und keine Gebetsrufe in der Öffentlichkeit“, sagte er vor UMP-Parlamentariern.

In einer gemeinsamen Stellungnahme haben die offiziellen Vertreter von sechs Konfessionen in Frankreich ihre Sorge über eine solche „Problematisierung und Politisierung“ des Islam zum Ausdruck gebracht. Sie ersuchen die Staatsführung, „in der gegenwärtigen Vorwahlperiode jede gefährliche Stigmatisierung zu vermeiden“. Für viele der drei bis fünf Millionen Muslime in Frankreich tönt Sarkozys explizite Absage an ein „Multikultimodell“ wie eine ultimative Forderung nach Assimilierung oder gar wie eine Anprangerung, ganz nach dem Muster der Angriffe der Rechtspopulisten des Front National. Nach einer erfolglosen Aussprache mit Sarkozy in einer Pariser Moschee zerriss UMP-Mitglied Abdallah Zekri vor TV-Kameras seinen Parteiausweis und forderte „alle Muslime der UMP“ auf, es ihm gleichzutun. Sarkozys bisheriger Berater für die Minderheiten gab seinen Rücktritt bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2011)

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