Libyen: Westliche Staaten senden Militärberater

Libyen Westliche Staaten senden
Libyen Westliche Staaten sendenSymbolbild: Libyscher Aufständischer mit Union Jack und Tricolore (c) AP (Manu Brabo)
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Der Übergangsrat der Rebellen wünscht sich westliche Bodentruppen zum Schutz von Zivilisten. Paris, London und Rom wollen nur Militärberater entsenden.

Bengasi/Tripolis/Ag./Red. Die Rebellen in der seit sieben Wochen belagerten Stadt Misrata müssen ziemlich verzweifelt sein: In der Nacht auf Mittwoch haben sie nämlich das von ihnen selbst gesetzte Tabu gebrochen und um ausländische Bodentruppen, namentlich aus Großbritannien und Frankreich, gebeten.

Auch der Übergangsrat in Bengasi sprach sich am Mittwochabend für Bodentruppen zum Schutz der Zivilisten in Misrata aus. "Wenn dies nötig ist, um humanitäre Hilfe zu leisten oder sichere Zonen für Zivilisten zu schaffen, so wäre dies auch durch die UN-Resolution 1973 gedeckt", sagte Abdelhafizh Ghoga, ein führendes Mitglied des Übergangsrates. Die Rebellen wollten aber nicht, dass diese Truppen mit ihnen an der Front gegen die Soldaten von Muammar al-Gaddafi kämpfen.

Bisher hatten die Aufständischen eine Intervention durch Bodentruppen immer kategorisch abgelehnt.

Noch immer abgelehnt wird dies vom Westen selbst, gerade auch auch von den genannten Staaten, die ja eine wesentliche Rolle in der Nato-geführten Kriegskoalition innehaben: Frankreich schloss den Einsatz von Bodentruppen am Mittwoch erneut aus. Paris, London und Rom planen allerdings die Entsendung von Militärberatern, um das oft miserable Ausbildungsniveau der Aufständischen zu heben.

Frankreichs Präsident, Nicolas Sarkozy, kündigte zudem am Mittwoch eine Intensivierung der Luftangriffe an. Kurz zuvor hatte Sarkozy den politischen Führer der Rebellen, Mustafa Abdel Jalil, im Élysée-Palast empfangen. Bei der Gelegenheit hat Jalil den französischen Präsidenten nach Bengasi eingeladen.

Berlin für „politischen Prozess“

Auch Deutschlands Außenminister, Guido Westerwelle, meldete sich zu Wort, obwohl Berlin ja an den Militäraktionen gegen das Gaddafi-Regime gar nicht teilnimmt: „Bodentruppen sind durch die UN-Resolution ausgeschlossen“, sagte Westerwelle. Man müsse sich von dem Gedanken verabschieden, dass eine schnelle militärische Lösung wahrscheinlich sei: „Der politische Prozess wird eine Lösung bringen.“

Den Beginn eines solchen Prozesses bot am Mittwoch Libyens Außenminister, Abdelati al-Obeidi, an: Sofern die Nato ihre Angriffe auf Libyen einstellte, könnte es sechs Monate später eine von den Vereinten Nationen überwachte Wahl geben, sagte al-Obeidi. Bei dieser Wahl werde es um alle wichtigen Fragen gehen, auch die Zukunft von Gaddafi als Machthaber. Der Regierung sei es ernst mit einem Waffenstillstand.

Genau daran zweifeln sowohl der Westen als auch die Aufständischen, denn die bisherigen Waffenstillstandserklärungen des Gaddafi-Regimes blieben folgenlos. Zudem gibt es aus den Reihen der Gaddafi-Familie keinerlei Anzeichen, dass der seit 41 Jahren regierende Oberst auch nur entfernt an einen Rückzug von der Macht denkt, ganz im Gegenteil: Jene, die „die vier 2007 gesetzten roten Linien“ überschreiten, würden die Konsequenzen zu tragen haben, sagte Gaddafis bekanntester Sohn, Saif al-Islam, dem TV-Sender al-Libya. Eine dieser „roten Linien“ ist eben genau die Herrschaft Gaddafis, neben dem Islam, der Sicherheit des Staates und der nationalen Einheit. „Wir werden gewinnen. Die Situation ändert sich täglich zu unseren Gunsten“, meinte der Sohn des Diktators.

Kriegsverbrechen in Misrata

Militärisch herrscht eine Pattsituation: Weder gelingt es Gaddafis Truppen, die von den Rebellen gehaltene, strategisch wichtige Stadt Ajdabiya zu erobern, noch schaffen es die Aufständischen, signifikant weiter nach Westen vorzustoßen und den Ölhafen Brega wieder in ihre Gewalt zu bringen. Die Front verläuft seit Wochen zwischen diesen beiden Städten im Osten Libyens.

UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sprach derweil in Zusammenhang mit der Belagerung Misratas von möglichen Kriegsverbrechen: Wohngebiete der drittgrößten Stadt Libyens sind seit Wochen unter Artilleriefeuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21. April 2011)

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