Syrien: Armee marschiert in Widerstandshochburg ein

Syrien Armee marschiert Widerstandshochburg
Syrien Armee marschiert WiderstandshochburgOstermontag: Panzer in Danaa (c) Reuters TV
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Menschenrechtsaktivisten fordern Sanktionen gegen das Regime von Präsidenten Assad, das mit Panzern und Soldaten gegen die protestierende Bevölkerung vorgeht. Es reiche nicht mehr, die Gewalt nur zu verurteilen.

Damaskus/Kairo. In Syrien setzt das Regime nun ganz auf Gewalt. Am Montag ging Präsident Bashir al-Assad erstmals mit Panzern und Soldaten gegen seine protestierende Bevölkerung vor. Infanterieeinheiten besetzten die Grenzstadt Daraa im Süden des Landes, wo die Unruhen vor fünf Wochen ihren Ausgang genommen hatten.

Nach Augenzeugenberichten nahmen die Soldaten jeden unter Feuer, der sich auf der Straße zeigte. „Überall Schüsse, unsere Häuser werden zu Hospitälern“, sagte ein Bewohner gegenüber dem arabischen Nachrichtensender al-Jazeera. Auf vielen Dächern hätten sich Scharfschützen eingenistet. Tote oder Verletzte lägen auf Bürgersteigen und Plätzen und könnten nicht geborgen werden.

Über die Lautsprecher der Moscheen riefen verzweifelte Menschen um medizinische Hilfe. Strom und Telefon waren unterbrochen, Wassertanks auf Dächern wurden von Soldaten zerstört. Nach ersten Angaben aus der von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt sollen mindestens 25 Menschen umgekommen sein.

Systematische Jagd auf Aktivisten

Neben Daraa wurden offenbar auch die Satellitenstädte Douma und al-Muadamiyah nahe Damaskus sowie Jabla an der Mittelmeerküste von Armeeeinheiten besetzt. „Sie wollen die Revolution niederschlagen und gehen mit äußerster Brutalität vor“, sagte ein Aktivist aus Douma. In anderen Städten, deren Einwohner sich am vergangenen Freitag an den bisher größten regimefeindlichen Demonstrationen beteiligt hatten, machte die Geheimpolizei systematisch Jagd auf politische Aktivisten.

Erst am Donnerstag hatte Präsident Assad per Dekret den Ausnahmezustand aufgehoben, der seit fast fünf Jahrzehnten willkürliche Verhaftungen erlaubte. Das mäßigte allerdings das Vorgehen der Staatssicherheit in keiner Weise. Viele Menschen wurden in ihren Wohnungen überfallen und ohne Haftbefehl verschleppt.

350 Tote in fünf Wochen

Seit Beginn der regimefeindlichen Demonstrationen vor fünf Wochen sind mindestens 350 Menschen getötet worden. Ein Drittel von ihnen starb in den letzten drei Tagen, als Sicherheitskräfte in ganz Syrien das Feuer auf die inzwischen zehntausend zählenden Protestteilnehmer eröffneten. Auf Amateurvideos ist zu sehen, wie Menschen in Panik versuchen, sich vor den Kugeln zu retten; andere zeigen Scharfschützen auf Hausdächern, die auf Demonstranten zielen.

In einer Sequenz ist ein Vater zu sehen, der seinen stark am Kopf blutenden Jungen davonschleppt. „Mein Gott, mein Gott“, hört man den Mann in seiner Verzweiflung rufen. Andere Aufnahmen zeigen Demonstranten, die Statuen von Hafez al-Assad zerstören, der Syrien 30 Jahre lang mit harter Hand regiert hatte; auch riesige Poster seines Sohnes Bashir al-Assad werden vor Kameras zerrissen.

Forderung nach Sanktionen

„Nach dem Blutbad am Freitag reicht es nicht mehr, die Gewalt zu verurteilen“, erklärte der Nahost-Direktor von „Human Rights Watch“, Joe Stork. Angesichts der syrischen Strategie, gezielt zu töten, müsse die internationale Gemeinschaft Sanktionen gegen alle verhängen, die das Töten von Demonstranten angeordnet hätten. Zuvor hatten UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und US-Präsident Barack Obama die Gewaltexzesse scharf verurteilt, dem Regime von Bashir al-Assad aber bisher noch keine Konsequenzen angedroht.

Gestern veröffentlichten mehr als 100 syrische Intellektuelle ein gemeinsames Memorandum, in dem sie das Vorgehen der Regierung anprangern: „Wir verurteilen die unterdrückerischen Akte der Gewalt des syrischen Regimes gegen die Protestierenden und betrauern die Märtyrer des Aufstands.“ Nach Angaben der Regierung in Amman wurde die Grenze zu Jordanien am Montag auf syrischer Seite komplett geschlossen. Das österreichische Außenamt warnt inzwischen vor Reisen nach Syrien, da sich „die Sicherheitslage weiter verschlechtert hat“.

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