Portugals 78-Milliarden-Euro-Wette

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Portugal soll durch Nulllohnrunden für die Beamten, tiefe Einschnitte im Sozialsystem und die Öffnung abgeschotteter Branchen ab 2013 wieder wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen.

Hart, aber fair; ehrgeizig, aber erfüllbar – diese Beschreibungen fielen am Donnerstag in Lissabon immer und immer wieder während der Vorstellung des 78-Milliarden-Euro-Plans zur finanziellen Rettung Portugals. Nach Griechenland und Irland ist das dritte Land der Eurozone nicht mehr fähig, seine Schulden selbst zu bezahlen.

Kredite über 52 Milliarden Euro von den anderen Ländern der Währungsunion sowie 26 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds sollen gemeinsam mit umfassenden Budget- und Strukturreformen bewirken, dass Portugals Volkswirtschaft ab 2013 wieder wächst und das Land wieder auf eigenen Beinen stehen kann.

Ob diese Wette aufgeht, wird von echten Fortschritten in drei Feldern abhängen.

1. Radikale Sanierung der Staatsfinanzen bis 2013

7,3 Prozent der Wirtschaftsleistung hätte die Neuverschuldung Portugals im vergangenen Jahr betragen sollen. 9,1 Prozent waren es dann tatsächlich. Kommission und IWF verlangen, dass das jährliche Loch in der Staatskasse heuer nur mehr 5,3Prozent ausmacht, im kommenden Jahr 4,5 Prozent und im Jahr 2013 schließlich drei Prozent.

Es wird bezweifelt, dass diese Vorschau realistisch ist. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte eine Quelle aus dem Lissabonner Finanzministerium, wonach die Wirtschaftsleistung heuer und 2012 um jeweils zwei Prozent fallen wird. Auch die Manager des Hilfspakets bereiten die Portugiesen auf zwei harte Jahre vor. „Dieses Programm wird zum Sinken der Einkommen in den ersten Jahren führen“, sagte in Lissabon der IWF-Manager Poul Thomsen, der schon bei der Griechenland-Krise Erfahrung mit maroden Euroländern gesammelt hatte. „Wir glauben, die Erholung wird in der ersten Hälfte 2013 greifen.“

Zwei Drittel dieser Budgetsanierung soll durch die Einsparung von Staatsausgaben gelingen, der Rest durch neue Einnahmen. Die Beamten bekommen bis 2013 keine Gehaltserhöhungen, Pensionisten, die mehr als 1500 Euro pro Monat Rente erhalten, müssen eine Sondersteuer zahlen, der Bau einer Zughochgeschwindigkeitsstrecke wird auf Eis gelegt.

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Für den IWF-Kredit muss Portugal in den ersten drei Jahren einen variablen Zinssatz zahlen, der bei derzeitigem Zinsniveau 3,25 Prozent beträgt und nach 2013 4,25 Prozent. Er wird aber sicher steigen, weil die Notenbanken ihre Leitzinssätze anheben. Der EU-Kredit wird höher verzinst sein, dafür aber fix. Die genaue Höhe wird am 16.Mai ebenso von den Finanzministern festgelegt wie die Anteile der Gläubigerstaaten.

2. Reform und Rekapitalisierung der portugiesischen Banken

Zwölf Milliarden Euro sind für die Rekapitalisierung von Portugals Banken in den nächsten 18 Monaten reserviert. Sie bekommen seit Ausbruch der Finanzkrise nur mehr von der Europäischen Zentralbank flüssiges Geld. Daran haben auch die zaudernden Politiker Schuld, die Portugal nicht unter den Rettungsschirm stellen wollten, sagte IWF-Direktor Thomsen: „Die Verzögerung hat den Liquiditätsmangel der Banken verschärft.“

3. Mehr Wettbewerb für die verkrustete Volkswirtschaft

Alle Fortschritte, die Portugal in den 1990er-Jahren gemacht hat, sind nach Einführung des Euro verpufft – das befand die Kommission schon 2006. Nun sollen Portugals Arbeitnehmer und Unternehmen in Windeseile wettbewerbsfähig werden. Lohnabschlüsse sollen verstärkt auf Betriebsebene getroffen werden, um deren individuelle Lage zu spiegeln, Staatsunternehmen im Wert von 5,3 Milliarden Euro werden privatisiert, die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld sowie die Höhe der Abfertigung gekürzt. Ob Portugal dank dieser Schritte bald Leistungsbilanzüberschüsse erzielen wird, wollte Jürgen Kröger von der Kommission nicht direkt beantworten: „Lassen Sie es mich so sagen: Ein Leistungsbilanzdefizit von zehn Prozent ist sicher nicht nachhaltig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2011)

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