Revolutionen drängen Teheran in die Defensive

Revolutionen draengen Teheran Defensive
Revolutionen draengen Teheran Defensive(c) REUTERS (MURAD SEZER)
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Die dramatischen Umwälzungen in der Region zwingen den Iran zum Umdenken: Ahmadinejad muss auf eine konstruktivere Linie umschwenken.

Teheran hat es die Sprache verschlagen. Seit zwei Monaten wankt in Syrien das Regime des arabischen Hauptverbündeten. Der befreundeten Hisbollah im Libanon stehen verheerende Enthüllungen durch den Hariri-Sondergerichtshof in Den Haag ins Haus. Und die palästinensische Hamas zeigt sich, getrieben durch den drohenden Verlust ihres syrischen Schutzpatrons, im Bruderzwist mit der Fatah plötzlich diplomatisch. Vor gut einem halben Jahr hatte sich Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad noch bei seinem Besuch im Südlibanon feiern lassen als der Mann, dessen Macht bis vor Israels Haustür reicht. Engster Verbündeter des „Frontstaates Syrien“, Finanzier von Hisbollah und Hamas – der Iraner trat auf wie einer, dem in der Region die politische Zukunft gehört.

Von diesem Triumphgehabe könnte bald nicht mehr viel übrig sein. Syriens Regime lässt erbarmungslos auf seine Bürger schießen. Ob es sich an der Macht halten kann, weiß heute niemand. „Wenn Syrien demokratisch wird, verliert der Iran seine Marionette“, spottete bereits die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Syrien sei ein souveräner Staat und könne seine Probleme selbst lösen, hieß es dagegen kleinlaut aus dem Munde Ahmadinejads.

Mehr als 8000 Regimegegner hinter Gittern

Mehr als 8000 Regimekritiker sitzen inzwischen hinter Gittern. „Wenn du jemanden verhaftest, folterst und nach einer Woche freilässt, schüchterst du 20 weitere ein, weiter auf die Straße zu gehen“, beschreibt ein Aktivist diese Strategie der Unterdrückung, die Irans Führung mit Erfolg gegen die grüne Bewegung einsetzte.

Zu Beginn des arabischen Frühlings hatte sich die Islamische Republik zunächst als herrschende Weisheit zurechtgelegt, nur westliche Marionettenregimes würden von ihren Völkern attackiert. „Die Vorgänge in Tunesien und Ägypten lassen die Alarmglocken schrillen für despotische Führer, die viele Jahre auf ihren Völkern herumgetrampelt sind und deren berechtigte Forderungen ignoriert haben“, trompetete damals Parlamentspräsident Ali Larijani. Gleichzeitig verbot das Regime am 11. Februar, dem Tag des Mubarak-Sturzes, eine Demonstration der grünen Opposition, deren Forderungen sich von denen arabischer Facebook-Aktivisten bekanntlich nicht sonderlich unterscheiden. Um die eigene Jugend nicht weiter zu provozieren, äußert sich der Iran seither nur noch sehr sporadisch, etwa im Falle von Bahrain, wo das Land das brutale Vorgehen gegen die überwiegend schiitischen Demonstranten kritisierte.

Hinter den Kulissen allerdings sucht die Islamische Republik bereits nach Alternativen für eine Zukunft ohne ein Syrien, das von Bashar al-Assad regiert wird. So reiste Außenminister Ali Akbar Salehi dieser Tage in die Vereinigten Arabischen Emirate, um das sehr kühle Verhältnis wieder anzuwärmen. Mit Kairo will Teheran erstmals seit 1979 wieder Botschafter austauschen. Laut denken die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Region nach 30 Jahren Funkstille über eine neue gemeinsame Achse nach. Irans Außenminister lobte das „große Potenzial beider Länder“, auch könnten Ägyptens gute Beziehungen zu Europa und den USA Teheran in Zukunft nützlich sein.

Im Gegenzug zeigt sich die Führung im postrevolutionären Kairo entschlossen, Iran schon jetzt einen ersten außenpolitischen Preis abzuverlangen. Ägypten will sein Verhältnis zur Hamas verbessern; das geht aber nur, wenn Hamas sich weniger militant gebärdet und Teheran aufhört, die Zwietracht im palästinensischen Lager weiter nach Kräften zu schüren. Demonstrativ pries daher Irans Außenminister Salehi den palästinensischen Versöhnungsvertrag als einen „Triumph für das große ägyptische Volk“.

Auf dem Treffen der blockfreien Staaten Ende Mai in Indonesien wollen die Chefdiplomaten beider Staaten erstmals ausführlich miteinander reden.

Im Lager der iranischen Reformer allerdings stößt das Verhalten des Regimes zu den arabischen Aufständen auf scharfe Kritik. „Das Töten von Demonstranten sollte in jedem Land verurteilt werden, egal ob in Syrien, Bahrain, Libyen oder Ägypten“, erklärte der Parlamentsabgeordnete Qodratullah Alikhani. „Die Forderungen der Völker sollten überall gleichermaßen respektiert werden.“

Journalistin nach Teheran verschleppt

Am 29. April gab es das letzte Lebenszeichen von Dorothy Parvez. Von Doha kommend, war die al-Jazeera-Korrespondentin in Damaskus gelandet. Da die 39-Jährige neben einem kanadischen und amerikanischen auch einen iranischen Pass hat, wollte sie als Touristin getarnt einreisen, um für ihren Sender über den syrischen Volksaufstand zu berichten. Die Grenzbeamten schöpften Verdacht, als sie einen Satellitensender in ihrem Koffer fanden. Noch am Flughafen wurde sie festgenommen. Eine Woche später gab das Regime angesichts wachsender internationaler Empörung bekannt, Dorothy Parvez sei in Haft. In einer nächsten Version hieß es dann, die Journalistin sei bereits 48 Stunden nach ihrer Festnahme „mit unbekanntem Ziel“ aus Syrien ausgereist, also am 1. Mai. In Wirklichkeit aber wurde sie an diesem Tag in ein Flugzeug nach Teheran gezwungen, eskortiert vom iranischen Konsul in Damaskus, und wird seitdem beim besten Verbündeten Syriens festgehalten.

Hintergrund

Der Iran muss seine Politik gegenüber den arabischen Ländern dramatisch ändern. Bisher hat sich Teheran als Brandstifter zwischen den Palästinenser-Organisationen Fatah und Hamas hervorgetan, doch nun heißt man den Friedensschluss zwischen beiden Fraktionen gut. Teheran will auch die traditionell schlechten Beziehungen zu Ägypten verbessern und sucht das Gespräch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Möglicherweise beugt Teheran einem Fall des eng verbündeten Assad-Regimes in Syrien vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2011)

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