Spanien: Der Tahrir-Platz von Madrid

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Spaniens Jugend wehrt sich: 45 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, Dumpinglöhne und die immer schlechteren Lebensbedingungen treiben die "Generation ohne Zukunft" derzeit in Massen auf die Straßen des Königreichs.

Madrid. Spaniens Jugend beginnt sich zu wehren: Seit Tagen gehen in vielen Städten Zehntausende auf die Straße, um gegen die horrende Arbeitslosigkeit, Dumpinglöhne und die immer schlechteren Lebensbedingungen in dem krisengebeutelten Land zu demonstrieren. Allein in der Hauptstadt Madrid waren es zuletzt 20.000, und damit nicht genug: Sie haben auf dem zentralen Platz der Stadt, der berühmten Puerta del Sol, sogar ein Protestlager eingerichtet, ein wenig wie die Demonstranten auf Kairos Tahrir-Platz.

Viele der Protestierenden in der Hauptstadt, aber auch in Barcelona, Sevilla, Valencia und Palma de Mallorca tragen gelbe T-Shirts mit dem Motto „Ohne Wohnung, ohne Arbeit, ohne Pension, ohne Angst“. Andere recken Plakate mit der Aufschrift „Jugend ohne Zukunft“ in die Höhe. „Wir wollen eure Krise nicht bezahlen“, skandieren die jungen Demonstranten. Es ist die größte Protestaktion der jungen Generation, die das Land bisher gesehen hat. In einigen Städten mündeten Demonstrationen in Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Ein Teil des jugendlichen Volkszorns wird sich vermutlich am kommenden Sonntag entladen, wenn in Spanien neue Bürgermeister und regionale Regierungschefs gewählt werden. Es gibt wenig Zweifel, dass die Sozialisten, die seit sieben Jahren unter Premier José Luis Zapatero Spaniens Zentralregierung stellen, vielerorts heftig abgestraft werden dürften. Wirtschaftskrise und hohe Staatsverschuldung zogen happige Steuererhöhungen sowie schmerzhafte soziale Einschnitte nach sich.

Angewiesen aufs „Hotel Mama“

Chancenlos, frustriert, ohne Zukunft: Noch nie ging es Spaniens junger Generation so schlecht wie heute. Die Arbeitslosigkeit der Jungen bis 25 Jahre liegt laut Eurostat bei traurigen 44,6 Prozent – nirgendwo in Europa ist es schlimmer. Nach Lehre oder Studium einen Job zu finden, ist kaum möglich. Selbst wer von den Jungen derzeit Arbeit findet, muss sich meist mit Mini-Bruttolöhnen von weniger als 1000 Euro abspeisen lassen. Viele müssen mangels Geld den Traum vom eigenen Leben außerhalb des Elternhauses für lange Zeit begraben.

In der Protestplattform „Wir wollen jetzt wirkliche Demokratie“ schlossen sich hunderte soziale Organisationen und Bürgerinitiativen zusammen, um der zunehmenden Unzufriedenheit, Ohnmacht und Wut der großen Generation der Hoffnungslosen eine gemeinsame Stimme zu geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2011)

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