"Schwert der Gerechtigkeit" soll die al-Qaida führen

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Das Terrornetzwerk al-Qaida machte angeblich den Ägypter "Saif al-Adel" zum Chef. Er gilt als wenig charismatischer Militärplaner. Er soll sich derzeit, in Pakistan aufhalten. Experten hegen allerdings Zweifel.

Dubai/Islamabad/Ag/Hd. Alles schien nach Osama bin Ladens Tod auf Ayman al-Zawahiri hinauszulaufen. Der langjährige Weggefährte des getöteten Terrorpaten, der ihm den ideologischen Unterbau für seinen „Heiligen Krieg“ gegen den Westen lieferte, galt als dessen logischer Nachfolger.

Doch zumindest interimistisch muss al-Zawahiri einem jüngeren ägyptischen Landsmann den Vortritt lassen: Wie der arabische Nachrichtensender al-Jazeera am Mittwoch berichtete, ernannte das Terrornetzwerk den etwa 50-jährigen Saif al-Adel zum Anführer. Sein Name bedeutet übersetzt „Schwert der Gerechtigkeit“, er soll sich derzeit, wie viele Mitglieder des Führungszirkels von al-Qaida, in Pakistan aufhalten.

Al-Jazeera gilt zwar im Allgemeinen in Sachen al-Qaida als gut informiert, Terrorismusexperten hegen allerdings Zweifel, was tatsächlich hinter dieser Meldung steckt: „Ich denke, da geht es mehr um Show als um etwas anderes. Es soll der Welt einfach zeigen, dass man einen temporären Chef hat“, zitiert die Agentur Reuters den Sicherheitsfachmann Theodore Karasik. Sein Kollege Mustafa Alani stellt infrage, ob al-Qaida überhaupt einen Nachfolger für den symbolischen Führer Bin Laden brauche.

Generalstabschef des Terrornetzwerks

Laut al-Jazeera wurde zwar der Jemenit Mustafa al-Yemeni zum „Leiter der Operationen“ ernannt, Saif al-Adel dürfte aber dennoch selbst eine große Rolle in diesem Bereich spielen, als eine Art „Generalstabschef“, denn genau da sollen seine Fähigkeiten liegen, während ihm Charisma und intellektuelle Kapazitäten weniger nachgesagt werden. Al-Adel, vor seiner Terroristenkarriere Mitglied einer Spezialeinheit der ägyptischen Arme, wird verdächtigt, an den verheerenden Anschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam 1998 beteiligt gewesen zu sein und in Afghanistan und im Sudan Ausbildungslager für Terroristen aufgebaut zu haben. Nach den Attentaten vom 11. September 2001 – die er im Übrigen kritisierte – floh er von Afghanistan in den Iran, wo er unter Hausarrest gehalten wurde und angeblich erst vergangenes Jahr wieder freikam.

Bin Laden mit Drohnen überwacht

Hält sich al-Adel, wie angenommen, in Pakistan auf, dann dürfte es für ihn bald ungemütlich werden. Islamabad hat nach der Blamage in der Sache Bin Laden umgehend angekündigt, nun selbst Jagd auf Terrorführer zu machen, die im Land Unterschlupf gesucht haben. Offenbar lassen sie ihren Worten nun Taten folgen, denn am Dienstag wurde in der Nähe der Hafenstadt Karachi mit Muhammad Ali Qasim eine angeblich ranghohe Figur des Terrornetzwerks gefangen genommen. Er habe sich in einem Haus mitten in der Stadt aufgehalten, hieß es in einem Statement der Armee.

Zudem haben pakistanische Sicherheitskräfte ebenfalls am Dienstag angeblich fünf mutmaßlich Selbstmordattentäter getötet, drei davon Frauen. Es habe sich um Tschetschenen gehandelt, die mit al-Qaida in Verbindung gestanden seien.

Derweil wurde bekannt, dass der US-Geheimdienst CIA offenbar monatelang das Haus Osama bin Ladens im pakistanischen Abbottabad mit Tarnkappendrohnen beobachtete. Mit Satellitenaufnahmen kam man nicht nahe genug heran. Damit das pakistanische Militär keinen Verdacht schöpfte, hat man offenbar auf die Tarnkappentechnologie zurückgegriffen. Ein weiterer Beleg dafür, wie sehr man in Washington dem Verbündeten misstraut. Erstmals haben die USA bei der Operation gegen Bin Laden auch Tarnkappenhubschrauber eingesetzt, von deren Existenz bisher nichts bekannt war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2011)

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