Die politischen Gründe für die Sozialisten-Wahlniederlage sind vor allem ökonomische: Spanien steckt in einer verheerenden wirtschaftlichen Lage. Dem Land fehlt das "Geschäftsmodell", den Jungen die Perspektive.
Wien. Wer nach den Gründen für die Wahlschlappe der spanischen Sozialisten sucht, wird schnell fündig: Es ist die verheerende wirtschaftliche Lage, in die das Land in den vergangenen drei Jahren gerutscht ist. Gemeint ist damit nicht so sehr die zuletzt rasant gewachsene Staatsverschuldung (sie liegt immer noch bei vergleichsweise bescheidenen 60Prozent der Wirtschaftsleistung), sondern die fehlende Aussicht auf Beschäftigung.
Derzeit ist jeder fünfte Spanier im erwerbsfähigen Alter ohne Job – ein absoluter Spitzenwert innerhalb der EU. „Rekordhalter“ ist das Land auch mit seiner Jugendarbeitslosigkeit, 45Prozent der unter 25-Jährigen haben keine Arbeit. Die Verantwortung dafür schreiben sie der Politik und dem (kapitalistischen) System zu. So werden von den Demonstranten heftige Attacken gegen die Finanzmärkte skandiert, die dem Land schweren Schaden zugefügt hätten.
Paradoxerweise stehen aber gerade die spanischen Banken sehr gut da. Mit der Banco Santander verfügt das Land nicht nur über die größte Bank im Euroraum, sondern auch über eine der erfolgreichsten. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Konkurrenten haben Spaniens Banken von US-Ramschpapieren die Finger gelassen, weshalb sie von der Finanzkrise auch nicht betroffen waren.
Hausgemachte Immobilienblase
Dafür steht den regionalen Sparkassen das Wasser bis zum Hals. Sie haben die mit dem Eurobeitritt ins Land gebrachten Niedrigzinsen dazu genutzt, einen gigantischen Immobilienboom zu entfachen. Acht von zehn Spaniern leben heute in Eigenheimen, zu weiten Teilen auf Pump. Schon die Aussicht, dass die EZB an der Zinsschraube drehen könnte, treibt den verschuldeten Hausbesitzern und den dahinter stehenden Sparkassen-Chefs den Angstschweiß auf die Stirn.
Die Versuche, die angeschlagenen „Cajas“ über Fusionen zu stärken, wären fast am politischen Widerstand gescheitert – die regionalen Politgrößen verlieren damit den Einfluss auf „ihre“ Sparkassen. Weshalb jetzt befürchtet wird, dass bald das ganze Ausmaß der Misere sichtbar werden könnte. Denn die regionalen Institute stehen unter dem dringenden Verdacht, ihre Bilanzen nach der geplatzten Immobilienblase nur kosmetisch in Ordnung gebracht zu haben. Spanische Analysten gehen davon aus, dass die Sparkassen mehr als 100 Milliarden Euro bräuchten, um überleben zu können. Behalten sie recht, hätte nicht nur Spanien ein Problem, sondern ganz Europa.
Dabei hätten es die jungen Spanier auch ohne den Zusammenbruch der Bauwirtschaft und ohne drohende Regionalbankenkrise schwer genug. Schon in guten Zeiten waren sie so etwas wie Beschäftigte zweiter Klasse. Das wiederum ist die Folge eines strengen, aus der Franco-Zeit stammenden Kündigungsschutzes, der es Unternehmen de facto nicht erlaubt, Mitarbeiter abzubauen. Umgangen wird das damit, dass jüngere Spanier nicht mehr mit regulären Arbeitsverträgen angestellt werden.
Die Jungen haben die Hoffnung, dass ihnen der Staat Jobs besorgt, offenbar aufgegeben. Vermutlich nicht ganz zu Unrecht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)