"Verrat Belgrads": Proteste gegen Mladić-Auslieferung

Anhoerung abgebrochen Mladi schwer
Anhoerung abgebrochen Mladi schwer
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Den "Schlächter von Srebrenica" wird an Den Haag ausgeliefert. 2000 bosnische Serben demonstrierten gegen seine Verhaftung.

Rund 2000 bosnische Serben haben am Freitag in der Ortschaft Pale gegen die Auslieferung des früheren Generals Ratko Mladić an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag protestiert. Die Demonstranten, unter denen zahlreiche frühere Soldaten waren, warfen der serbischen Regierung Verrat vor. Die Demonstranten versammelten sich auf dem Hauptplatz der nahe Sarajevo in der Republika Srpska gelegenen Kleinstadt, die während des Bürgerkriegs von 1992 bis 1995 eine Hochburg der bosnischen Serben war.

"Ich bin enttäuscht vom Verhalten Serbiens, ich bin traurig. Das ist ein Verrat Belgrads! Sie haben einen Helden, einen Soldaten, der das serbische Volk verteidigt hat, ausgeliefert", sagte der 48-jährige Slobodan Batinic, der während des Bürgerkriegs aufseiten der bosnischen Serben gekämpft hatte. Ein anderer Ex-Soldat, der 50-jährige Marko Mirkovic, würdigte Mladić als "den Stolz des gesamten serbischen Volkes", ohne den es die Serbische Republik in Bosnien mit Pale als Hauptstadt niemals gegeben hätte.

Gericht beschließt Auslieferung

Einen Tag nach seiner Festnahme in Serbien ist Mladić am Freitag erneut vor Gericht erschienen - und musste dort eine schwere juristische Niederlage einstecken: Das Gericht erlaubte die Überstellung des 69-Jährigen an das UN-Tribunal in Den Haag, wo er unter anderem wegen Völkermordes angeklagt ist.  "Er ist in der Verfassung vor Gericht gestellt zu werden", sagte eine Richterin.

Mladić verweigerte vor Gericht die Annahme der Anklageschrift des UN-Tribunals: "Ihr habt Milosevic gewählt und nicht ich, wer ist also Schuld", erklärte der mutmaßliche Kriegsverbrecher. Er soll sich nach dem zweiten Anhörungstag Erdbeeren und ein TV-Gerät in der Gefängniszelle gewünscht und auch bekommen haben, berichtet der TV-Sender "B-92".

Richter stehen fest

Das Den Haager Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) hat unterdessen das Richterteam im Fall des früheren Militärchefs der bosnischen Serben, Ratko Mladic, nominiert. Laut einer ICTY-Aussendung handelt es sich um den Deutschen Christoph Flügge (63), den Niederländer Alphons Orie (63) und den Südafrikaner Bakone Justice Moloto (66).

Verteidiger klagt über Gesundheit Mladićs

Der Anwalt der Familie Mladić, Saljic, berichtete auch am Freitag über einen äußerst schlechten Gesundheitszustand des Angeklagten. Er habe sich am Donnerstag nicht einmal zu seinen Personaldaten äußern können und habe auf Fragen unzusammenhängende Antworten gegeben, so Saljic. Die Familie Mladić' forderte nach einem ersten Besuch beim Angeklagten am Freitagvormittag seine Einlieferung in ein Krankenhaus. Er solle dort von "unabhängigen Ärzten" untersucht werden, erklärte Mladić' Sohn Darko. Zwei russische Ärzte habe die Familie bereits kontaktiert. Nach seinen Worten würde sein Vater schwer reden können und dessen rechte Körperhälfte sei gelähmt.

Befehle an das Justizpersonal?

Das Justizpersonal dürfte den Gesundheitszustand des mutmaßlichen Kriegsverbrechers am Vortag anders beurteilt haben. Mladić habe mit dem Wachdienst, der ihn vor den Ermittlungsrichter brachte, die ganze Zeit kommuniziert. Er sei auch bemüht gewesen, Befehle zu erteilen, wie etwa: Gebt mir einen Stuhl, berichtete die Zeitung "Blic". In Richtung des Wachdiensts habe er auch gesagt "Wie meine Truppen", berichtete "Danas".

"Er ähnelt sich selbst", sagte der stellvertretende Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen Bruno Vekaric nach der ersten Anhörung. Mladić vertrete "dieselben Standpunkte wie in den 1990er Jahren". Er habe auch sehr rational auf alles reagiert, was im Gerichtssaal vor sich gegangen sei, sagte Vekaric.

In der vergangenen Nacht wurde Mladić von einem Ärzteteam untersucht. Sein dem Sondergericht kurz nach Mittag zugestelltes Gutachten hat offenbar die Fortsetzung der Anhörung ermöglicht.

Wie "Blic" berichtete, wurde bei der Festnahme bei Mladić auch ein Sackerl angefüllt mit modernsten Medikamente gegen Bluthochdruck sichergestellt. Man sei überzeugt, dass diese Medikamente Mladić , der seit Jahren auf der Flucht war, ohne ärztliche Hilfe nicht bekannt sein konnten und dass er sie ohne Beratung mit einem Arzt auch nicht beschaffen konnte, berichtete das Blatt.

In diesem Haus wurde Mladić festgenommen:

(c) Reuters (Milutinovic)

Ratko Mladić

Im Bosnien-Krieg 1992 - 1995 war General Ratko Mladić Militärchef der bosnischen Serben. Als solcher wird er für das Massaker an rund 8000 Moslems 1995 in Srebrenica verantwortlich gemacht. Man nennt ihn daher auch den "Schlächter von Srebrenica".

Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag klagte Mladić wegen Kriegsverbrechen, Völkermord, und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Bis 2001 hielt er sich unbehelligt in Belgrad auf. Seither war er auf der Flucht. Am 26. Mai wurde er auf einem Bauernhof im Norden Serbiens gefasst.

(Ag./Red.)

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