Spindelegger: "Will mich nicht auf Ebene der Türkei stellen"

Spindelegger Will mich nicht
Spindelegger Will mich nicht(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Interview: Außenminister Spindelegger über das türkische OSZE-Veto gegen Plassnik und seine von Kardinal Schönborn bezeugte Vereinbarung mit Präsident Gül.

Sie haben gesagt, Sie wollen das türkische Veto gegen Ursula Plassnik nicht hinnehmen. Hat denn Plassnik noch Chancen, Generalsekretärin der OSZE zu werden?

Michael Spindelegger: Das werden wir sehen. Wir setzen einen Schritt vor den anderen. Der erste Schritt ist die Einberufung des Permanenten Rats der OSZE für Donnerstag. Wir akzeptieren nicht, dass die Türkei in einem Vorverfahren, es handelt sich noch nicht um das eigentliche Wahlverfahren, ein Veto ohne Begründung einlegt. Die Behauptung, dass Ursula Plassnik einem EU-Betritt der Türkei kritisch gegenüberstand, kann nicht als Argument für die OSZE gelten.


War der litauische OSZE-Vorsitz dann nicht etwas voreilig, als er am Montag den Italiener Lamberto Zannier als neuen OSZE-Chef vorschlug.

Spindelegger: Bei so einem schwerwiegenden Schritt, wie ihn ein Veto darstellt, sollte man die Begründung dieses Vetos abwarten, bevor man den nächsten Kandidaten ins Rennen schickt. Denn wenn man einen Bewerber nach dem anderen hinausfeuert, ist die Gefahr groß, dass man wieder Vetos kassiert und am Ende gar keiner übrig bleibt.


Wie antworten Sie auf Litauens Vorschlag, den Italiener Zannier zum Generalsekretär zu machen?

Spindelegger: Vor der Sitzung des Permanenten Rates werde ich gar nicht antworten. Ich habe bis Sonntag Zeit, mich zu äußern, und lasse mir nicht in die Karten schauen.


Hätten Sie nicht wissen müssen, dass die Türkei Plassnik ablehnt. Die Türkei behauptet, dass sie Ihre Ablehnung signalisiert habe.

Spindelegger: (Lacht). Ich habe, bevor ich Plassnik nominiert habe, mit dem türkischen Außenminister Davutoğlu telefoniert. Wir verblieben damals so, dass der bessere gewinnen möge, also entweder Plassnik oder der türkische Bewerber.


Davutoğlu hat damals keinen Einspruch gegen Plassnik erhoben?

Spindelegger: Im Gegenteil, wir hatten eine Gentlemen's Agreement. Darum bin ich ja jetzt so überrascht.


Türkische Diplomaten beschweren sich über ein unethisches Spiel Österreichs.

Spindelegger: Entschuldigen Sie, das sind nichts anderes als Behauptungen. Vor ein paar Wochen hat mir der türkische Präsident Abdullah Gül während seines Besuchs in der Hofburg ins Gesicht gesagt hat, dass sich die Türkei die österreichische Kandidatin nicht blockieren werde. Ich frage mich, wie man Außenpolitik machen will, wenn man das, was man zusagt, nicht einhält. Das ist unprofessionell. Die Türkei isoliert sich damit selbst.


Das Außenamt in Ankara streitet ab, dass Gül dieses Versprechen gab.

Spindelegger: Es gibt Zeugen dafür: Kardinal Schönborn, meine Frau und auch noch andere hörten, was der türkische Präsident sagte.


Wird das Veto gegen Plassnik Gegenmaßnahmen zur Folge haben?

Spindelegger: Ich bin nicht auf Rache aus. Ich will mich nicht auf eine Ebene mit der Türkei stellen, die sich offenbar für Plassniks Haltung vor Beginn der Beitrittsverhandlungen 2005 revanchieren wollte.


Ihr Verhältnis zum türkischen Außenminister Davutoğlu scheint gestört zu sein. Sie wollten nach Ankara fliegen, um die Causa Plassnik zu klären. Er hatte keine Zeit wegen des Wahlkampfs. Sie wollten mit ihm und dem deutschen Außenminister Westerwelle im April eine Integrationskonferenz in Wien abhalten. Doch Davutoğlu fand keinen Platz in seinem Terminkalender.

Spindelegger: Er hat seine Beteiligung an der Konferenz versprochen. Und dann erklärte er mir auf einmal, sein Büro habe von dem Termin nichts gewusst. Da gehen bei mir gewisse Klappen zu. Wenn man so agiert in der Außenpolitik, wird man nicht viele Freunde finden.


Die Türkei spielt in Zentralasien und am Schwarzmeer eine Schlüsselrolle, also in beiden Regionen, mit denen sich das Weltwirtschaftsforum in Wien beschäftigt. Warum ist kein hochrangiger türkischer Vertreter dabei?

Spindelegger: Gül war eben erst in Wien, die anderen Spitzenpolitiker sind wegen der Wahl am 12. Juni verhindert.


Welches Potenzial sehen Sie in Zentralasien und am Schwarzmeer?

Spindelegger: Was der Balkan heute ist, wird morgen die Schwarzmeerregion und übermorgen Zentralasien sein. Die Wachstumsraten dort sind drei Mal so hoch wie bei uns. Österreichischen Unternehmen sehen große Chancen.


Die wirtschaftliche Strategie ist klar. Doch welche außenpolitischen Dimension hat sie?

Spindelegger: Seit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens ist dies die unmittelbare Nachbarschaft der EU. Doch niemand kümmert sich darum. Das außenpolitische Potenzial ist gewaltig. Wenn wir nicht die Lage zwischen Aserbaidschan und Armenien stabilisieren, kann dort schnell ein Krieg ausbrechen.


In den Balkan-Ländern hat sich die EU-Beitrittsperspektive als starker Hebel erwiesen. Würden Sie diese Perspektive auch Ländern wie Georgien, Aserbaidschan oder Armenien anbieten?

Spindelegger: Ich sehe das als Nachbarschaftspolitik. Eine EU-Mitgliedschaft ist für diese Länder auch nicht unmittelbar anstrebenswert.


Sie sagten angesichts des Umbruchs in der arabischen Welt, dass man im Umgang mit den dortigen Regimes Fehler gemacht hat. Wie halten Sie es jetzt mit autoritären Regierungen in Kasachstan oder Aserbaidschan?

Spindelegger: Wenn es stärkere wirtschaftliche Verflechtungen gibt und auch diese Länder etwas von Europa wollen, dann muss auch die EU einen Katalog aufstellen und klare Bedingungen stellen, etwa für Assoziierungsabkommen.


Kasachstan ist jetzt schon wichtigster Gaslieferant Österreichs. Mir ist nicht bekannt, dass es dafür irgendwelche Bedingungen wie die Einhaltung von Menschenrechten gab.

Spindelegger: Wenn man Ressourcen kauft, ist das ein normales Geschäft.


Das hat man sich gegenüber Libyen auch so gedacht.

Spindelegger: Mag durchaus sein, aber ab dem Moment, wo man eine Mittelmeer-Union gründet, hätte Europa schon viel stärker auf die Einhaltung von Menschenrechten schauen müssen.

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