Syrien: Assads Truppen stürmen Protesthochburg

Syrische Panze rücken vor Richtung Jisr al-Shughour.
Syrische Panze rücken vor Richtung Jisr al-Shughour.(c) AP (Bassem Tellawi)
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Die syrische Armee ist mit Panzern in Jisr al-Shughour eingerückt. Das Militär schießt offenbar auch aus Hubschraubern auf Demonstranten. Seit Februar sollen 1300 Zivilisten getötet worden sein.

Die syrischen Streitkräfte haben ihren Kampf gegen Regierungsgegner verschärft und eine Protesthochburg nahe der türkischen Grenze gestürmt. Die Truppen von Präsident Bashar al-Assad nahmen Anrainern zufolge die Stadt Jisr al-Shughour am Sonntag unter schweren Beschuss. Die Regierungstruppen seien mit bis zu 150 Panzern in die seit Tagen eingekesselte Stadt eingezogen, aus der Tausende in die Türkei geflohen sind. In anderen Berichten war von 200 Panzern und Hubschraubern die Rede. Das syrische Staatsfernsehen berichtete von heftigen Gefechten zwischen Soldaten und bewaffneten Banden. Die USA warfen Syrien vor, die eigene Bevölkerung in eine Versorgungskrise zu stürzen. Nach Darstellung von Menschenrechtsvertretern wurden seit Februar 1300 Zivilisten getötet.

Hubschrauber schießen auf Regimegegner

Anrainer berichteten, von Assads Bruder Maher befehligte Truppen seien in der Nacht auf Sonntag in die 50.000-Einwohner-Stadt Jisr al-Shughour eingerückt. Die Soldaten hätten in den Straßen Maschinengewehrsalven abgefeuert. Auch aus über der Stadt kreisenden Hubschraubern werde geschossen. Zuvor sei die Stadt wahllos von Panzern beschossen worden. Flüchtlinge berichteten von getöteten Zivilisten. Zudem hätten Soldaten umliegende Felder zerstört sowie Kühe und Schafe getötet.

Das amtliche Fernsehen berichtete dagegen, die Soldaten hätten in der Stadt zahlreiche Bewaffnete festgenommen und ihre Waffen beschlagnahmt. An Brücken und Einfallstraßen gelegte Sprengsätze seien entschärft worden. Bei Kämpfen seien zwei Bandenmitglieder getötet worden. Die staatliche Nachrichtenagentur meldete, die Truppen seien gegen Bewaffnete in einem Krankenhaus vorgegangen.

Syrien weist Journalisten aus

Die syrische Führung hat die meisten Auslandskorrespondenten ausgewiesen, so dass eine Überprüfung der Berichte schwierig ist. Ein westlicher Diplomat in Damaskus sagte, er halte die Berichte über Gefechte für unglaubwürdig. Die meisten Einwohner hätten die Stadt längst verlassen. Jisr al-Shughour ist ein Verkehrsknotenpunkt, weil es auf der Strecke zwischen Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo und dem Mittelmeerhafen Latakia liegt.

Das Militär startete die Offensive, nachdem in Jisr al-Shughour 120 Soldaten getötet worden waren. Einwohnern zufolge kam es zu einer Meuterei unter den Truppen, weil einige Soldaten nicht auf demonstrierende Regierungsgegner schießen wollten. Die Führung in Damaskus machte dagegen bewaffnete Banden für den Tod der Soldaten verantwortlich und entsandte neue Truppen. Das Staatsfernsehen berichtete am Sonntag, die Armee habe ein Massengrab mit verstümmelten Opfern des Angriffs vom 6. Juni entdeckt. Zehn Leichen von Sicherheitskräften seien Köpfe, Hände und Füße abgeschnitten worden.

Flüchtlingswelle in die Türkei

Wegen des Militäreinsatzes sind mittlerweile 5000 Syrer in die Türkei geflüchtet. Die Hilfsorganisation Roter Halbmond bereitete nach UNO-Angaben ein viertes Flüchtlingslager mit Platz für 2500 weitere Menschen vor. Zeugen zufolge harren 10.000 Syrer nahe der Grenze aus.

Ein Sprecher von US-Präsident Barack Obama sagte am Samstag, die syrische Regierung müsse ihr gewaltsames Vorgehen gegen Demonstranten umgehend beenden und dem Roten Kreuz sofort uneingeschränkten Zugang gewähren. Ähnlich äußerte sich am Sonntag der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. Durch den Einsatz schwerer Waffen drohe eine Versorgungskrise, erklärte der Minister. Die gefährliche Situation mache eine klare Reaktion des UNO-Sicherheitsrates umso dringlicher. Auch der britische Außenminister William Hague sagte, aus seiner Sicht sei es "Zeit für den Sicherheitsrat, eine klare Stellungnahme" abzugeben.

Dort erhielten die Bemühungen von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal für eine Syrien-Resolution aber einen Dämpfer: China und Russland blieben einem Treffen zur Abstimmung über einen Resolutionsentwurf demonstrativ fern. Sie können eine Resolution per Veto stoppen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich tief besorgt über die Gewalt.

(APA/Ag.)

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