Griechenland: Neues Kabinett statt Rücktritt

GREECE ECONOMY CRISIS
GREECE ECONOMY CRISIS (c) EPA (Vassilis Filis / Handout)
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Der griechische Premier will "den gleichen Kurs fortsetzen". Er will die Regierung umbilden und im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Die Abstimmung könnte denkbar knapp ausfallen.

[ATHEN/AG/WB] Giorgos Papandreou hat den Spagat versucht. Er hat harte Sparmaßnahmen eingeleitet und alles daran gesetzt, gemeinsam mit der Opposition Reformen einzuleiten. Doch er ist gescheitert. Am Mittwoch stellte er seinen Rücktritt in Aussicht, um eine Regierung der nationalen Einheit zu ermöglichen. Die Ankündigung machte er nach einem Krisentreffen mit Staatspräsident Karolos Papoulias. Kurz zuvor hatte die bürgerliche Oppositionspartei „Neue Demokratie“ den Premier aufgefordert, seinen Platz „für einen neuen, anerkannten Regierungschef“ zu räumen.

Wenige Stunden später kündigte er jedoch an, zu bleiben, er werde nicht zurücktreten. „Ich setze den gleichen Kurs fort mit der Partei und dem griechischen Volk“ erklärte Papandreou am Mittwochabend. Er werde die Regierung heute, Donnerstag, umbilden und im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Dort kann er sich aber nur noch auf eine knappe Mehrheit von fünf Abgeordneten stützen, nachdem auch innerhalb der sozialistischen Reihen Kritik am drakonischen Sparkurs laut geworden ist.

40.000 gegen Sparmaßnahmen

Papandreou hat in den vergangenen Monaten vergebens versucht, die Opposition ins Boot zu holen. Diese lehnte seine Sparmaßnahmen ab und warnte vor einem Abwürgen der griechischen Konjunktur. Druck gegen den Premier kam in den vergangenen Tagen auch von der Straße. Am Mittwoch demonstrierten 40.000 Menschen gegen Einsparungen und Lohneinbußen im öffentlichen Dienst. Es kam dabei erneut zu heftigen Straßenkämpfen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die EU-Kommission teilte in Brüssel mit, sie verfolge die Proteste genau. „Die soziale Lage in Griechenland steht schon seit Beginn der Krise im Mittelpunkt unserer Besorgnis.“

Während die Opposition die Sparauflagen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) neu verhandeln möchte, stellt Papandreou für seinen Rücktritt eine Bedingung: Er will nur gehen, wenn sich die neue Regierung zu den von IWF und EU verordneten Sparmaßnahmen verpflichtet.

Das unvermeidliche neue Rettungspaket für Griechenland spaltet indessen die Euro-Länder. In der Nacht auf Mittwoch wurde ein Treffen der EU-Finanzminister ohne Ergebnis abgebrochen. Deutschland forderte, dass private Gläubiger (Banken, Versicherungen) in neuerliche Hilfen eingebunden werden müssten. Doch gab es massiven Widerstand dazu von der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und einigen Euro-Ländern. Österreich ist für eine Einbindung privater Gläubiger.

EU-Kommissar Olli Rehn wies darauf hin, dass die Kommission ein Modell prüfen werde, das auf einer freiwilligen Verlängerung der Laufzeiten für griechische Staatsanleihen beruhe. Der Plan lehnt sich an das „Wiener Modell“ an, bei dem westeuropäische Banken 2009 freiwillig vereinbart hatten, trotz Finanzkrise ihr Engagement in Osteuropa aufrecht zu erhalten.

Den Deutschen geht diese freiwillige Selbstverpflichtung nicht weit genug. Die Investoren sollen ihrer Ansicht nach dazu gedrängt werden, griechische Staatsanleihen noch vor ihrer Fälligkeit gegen neue Bonds mit sieben Jahren Laufzeit zu tauschen. Die deutsche Regierung wird bei diesem Vorstoß von der finnischen und niederländischen Regierung unterstützt. In beiden Ländern gibt es innenpolitisch einen massiven Widerstand gegen eine neuerliche Hilfe an Griechenland.

30 Milliarden Euro von Privaten

Andere Regierungen fürchten hingegen negative Folgewirkungen. So warnte etwa der Luxemburger Finanzminister Luc Frieden vor Auswirkungen auf den gesamten Währungsraum. Zwar könnte der Privatsektor nach internen EU-Kalkulationen 30 Milliarden Euro eines möglichen 120-Milliarden-Pakets beisteuern. Doch wenn die Beteiligung als Zwang interpretiert würde, könnte der Bond-Tausch als Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gewertet werden.

Einen Tag früher als geplant, werden sich die Finanzminister der Euro-Länder am Sonntagabend treffen, um doch noch eine Lösung zu finden. Bereits am Freitag treffen der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin zusammen. Auch dabei wird die Griechenland-Hilfe das Hauptthema sein. Kommt es unter den Finanzministern zu keiner Einigung, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU kommende Woche in Brüssel eine gemeinsame Linie finden.

Auf einen Blick

Offensichtlich ist, dass Griechenland selbst kein Geld mehr auf dem Kapitalmarkt aufnehmen kann. Nach der Herabstufung durch die Ratingagentur Standard & Poor auf den Ramsch-Status CCC ist das Land auf Kredite seiner europäischen Partnerländer angewiesen, um eine Zahlungsunfähig zu verhindern. Giorgos Papandreou hat alles versucht, sein Land aus der Krise zu führen. Trotz massivem Widerstand von Opposition und Massendemonstrationen hat der sozialistische Regierungschef harte Sparmaßnahmen eingeleitet. Viele Reformen blieben aber auf halbem Weg stecken. Am Mittwoch bot er zunächst seinen Rücktritt an. Später erklärte er, er werde bleiben und heute, Donnerstag, die Regierung umbilden und die Vertrauensfrage stellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2011)

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