Ungarn legt sich mit Rumänien an

Ungarn legt sich Rumaenien
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Budapests Rechtsregierung segelt gegenüber den Nachbarländern zunehmend auf Konfrontationskurs. Dies stößt nach der Slowakei nun auch Bukarest auf.

Belgrad/Bukarest/Budapest. Aus seinem Ärger über die Lautsprecherpolitik der Nachbarn macht Rumäniens Chefdiplomat Teodor Baconschi keinen Hehl: Budapest sei dazu aufgefordert, „zu einem normalen Ton“ zurückzufinden und von weiteren „deplatzierten Aussagen“ abzusehen: Gehäuft habe das Nachbarland in letzter Zeit den Eindruck der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Rumäniens erweckt.

Der Grund für seinen Groll: Ungarns Vizepremier Zsolt Semjen fühlt sich durch Bukarests Pläne für eine Verwaltungsreform an die „anti-magyarischen Maßnahmen aus der Ceaucescu-Zeit“ erinnert.

Es ist der zu Ostern in den Verfassungsrang gehievte Vertretungsanspruch der rechtspopulistischen Regierung in Budapest „für alle Ungarn im Karpatenbecken“, der den Nachbarn zunehmend auf die Nerven geht. Bereits zu Monatsbeginn hatte Ungarns Parlamentspräsident Laszlo Köver in Bratislava einen Sturm der Empörung ausgelöst, als er in einem Interview erklärte, dass er die Slowakei „geistig, kulturell und historisch als zu Ungarn gehörig“ empfinde. Es sei im geeinten Europa durchaus möglich, die Einheit von Nationen „ohne Rücksicht auf Grenzen“ wiederherzustellen.

Ungarischer Professor verprügelt

Im Gegensatz zu Bratislava hatte Bukarest die zu Jahresbeginn eingeführte Ausgabe von ungarischen Pässen an Auslandsungarn mit Blick auf eine ähnliche Praxis gegenüber Moldawiern rumänischer Herkunft klaglos geschluckt. Doch seit Wochen sind die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn gespannt: Wie in der Slowakei versucht Budapest auch in Rumänien die nationalistischen Kräfte innerhalb der 1,5 Mio. Menschen zählenden Minderheit zu stärken.

Trotz der eher mäßigen Erfolge ihrer national beseelten Minderheitenpolitik in den Nachbarstaaten scheint Ungarns Rechtsregierung gewillt, die Nadelstich-Gangart gegenüber Rumänien weiter zu verschärfen. Die Hauptstadt Budapest erwägt den Entwurf einer neuen Stadtflagge. Das bisherige Wappen in Rot, Gelb und Blau könne zu leicht mit Rumäniens Nationalfahne verwechselt werden. Das patriotische Gepolter in Richtung der Nachbarn verhallt dort derweil nicht ungehört – und ist Wasser auf die Mühlen rumänischer Nationalisten.

Die Emotionen schaukeln sich nicht folgenlos hoch: Am vergangenen Wochenende wurde ein Theologie-Professor der ungarischen Minderheit in der Provinzstadt Alba Iulia von drei nationalistischen Schlägern mit Baseballschlägern bewusstlos geprügelt. Der verletzte Dekan sei das Opfer „gestriger Politiker“ auf beiden Seiten geworden, meint die ungarische Internetzeitung „Pester Lloyd“: „Es ist zu fürchten, es bleibt nicht das einzige.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2011)

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