Venezuela: "Für Vaterland und Revolution"

(c) AP (Ariana Cubillos)
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Hugo Chávez ist aus Kuba zurückgekehrt. Der krebskranke Langzeit-Staatschef der bolivarianischen Republik Venezuela will die Weichen für die Präsidentenwahl stellen. Er werde die Macht nicht aus der Hand geben.

Caracas. Er ist zurück. Hugo Chávez, der „Comandante“, der Präsident der bolivarianischen Republik Venezuela, regiert wieder im Palacio Miraflores. Das war die deutliche Botschaft jener halbstündigen Ansprache, die alle Sender bis in die entlegensten Täler der karibischen Republik live übermittelten. Sein Volk, seine politischen Gegner und auch manch ehrgeiziger Parteifreund sollen es wissen: Hugo Chávez wird die Macht nicht aus der Hand geben, auch wenn sein größter Kampf während der kommenden Monate dem Krebs gelten muss, der in seinem Unterleib diagnostiziert wurde.

„Auch diese Schlacht werden wir gewinnen“, sagte Chávez am Montagnachmittag zu tausenden Anhängern, die vor dem Präsidentenpalast gewartet hatten, um den fast einen Monat lang in einem nie benannten Hospital in Havanna verschollenen Führer willkommen zu heißen. „Gemeinsam werden wir gewinnen – für das Leben, für das Vaterland, für die Revolution.“ In seiner mit 30 Minuten außergewöhnlich kurz gehaltenen Ansprache berichtete Chávez seinem Volk von dem Moment, als ihm sein politischer Ziehvater Fidel Castro persönlich eröffnete, dass ein bösartiger Tumor der Auslöser für den zunächst entfernten Unterleibsabszess war. Er erzählte von den schwierigen Stunden nach Empfang der Nachricht und der mehr als sechsstündigen Operation, in der am 20. Juni die Geschwulst entfernt wurde. Allerdings vermied es Chávez auch dieses Mal, das genaue Übel zu benennen. Die meisten von lateinamerikanischen Medien befragten Onkologen vermuten Dickdarmkrebs, andere sehen Anzeichen für einen Tumor der Prostata.

Schlechte Nachricht von Fidel Castro

Ohne Vorankündigung war der 56-Jährige am frühen Montagmorgen auf dem internationalen Airport Maiquetía bei Caracas gelandet. Obwohl deutlich abgemagert, vermittelte der kranke Comandante der Kamera des Staats-TV sein Glücksgefühl, endlich wieder die Erde Bolivars betreten zu dürfen. Er strahlte und stimmte sogar ein Volkslied an.

Doch wirklich überraschend kam Chávez' Heimreise kurz vor den Feiern zum 200. Unabhängigkeitstag Venezuelas nicht. Zumindest professionelle Beobachter des bolivarianischen Staatswesens hatten damit gerechnet, dass Chávez zurückkehrt, sobald es sein Zustand ermöglichte. Das Machtvakuum, das die Abwesenheit des nach zwölf Amtsjahren alles dominierenden Comandante in Caracas hinterlassen hatte, sorgte 15 Monate vor den Präsidentschaftswahlen bei der lange Jahre dezimierten Opposition für Frühlingsgefühle, aber auch in den bolivarianischen Reihen keimten Nachfolgefantasien. Diese wurden nun fürs Erste von den Rothemden vor dem Palast niedergebrüllt – mit dem Slogan, den sie stets anstimmen seit dem gescheiterten Putschversuch gegen Chávez 2002: „Uh, ah, Chávez no se va!“

Vor dritter Amtszeit?

Chávez wird nicht weichen – so ähnlich hat das auch der präsidiale Patient formuliert, auch wenn er ankündigte, sich während der kommenden Monate einem strikten medizinischen Regiment unterwerfen zu wollen, was seine bisher praktizierte mediale Omnipräsenz erheblich reduzieren dürfte. In jedem Fall gibt seine Rückkehr dem Rekonvaleszenten die Möglichkeit, die Weichen für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr selbst zu stellen, je nach Fortschritt des Genesungsprozesses.

Sollte dieser gute Fortschritte machen, dann dürfte die Kandidatur für eine dritte Amtszeit außer Frage stehen – noch immer ist Chávez weitaus populärer als sein Parteiapparat, dem viele Venezolaner mehr Schuld an Desorganisation und Versorgungsproblemen anlasten als dem Präsidenten persönlich. Außerdem halten sie Chávez selbst – anders als viele ranghohe Parteivertreter – für nicht korrupt.

Macht bleibt jedenfalls in der Familie

Sollte die Behandlung jedoch nicht wie gewünscht anschlagen, dann rechnen die meisten Aguren mit einer kubanischen Lösung. Wie auf der Karibikinsel könnte das Kommando in der Familie bleiben. Hugos älterer Bruder Adan, ein Marxist, war lange Botschafter Venezuelas in Havanna. Der aktuelle Gouverneur von Chávez' Heimatstaat Barinas gilt als engstes Bindeglied zwischen den Castros und Venezuela. Kuba, dessen Existenz maßgeblich von den 100.000 Barrel Öl abhängt, die es täglich aus Venezuela zum Vorzugspreis erhält – und die es zum überwiegenden Teil auf dem Spot-Markt versilbert –, wird alles in seiner Macht Stehende tun, um seine Energieversorgung nicht zu gefährden.

Auf einen Blick

Venezuelas Staatschef Hugo Chávez ist am 8. Juni nach Havanna gereist. Während des Staatsbesuches trat ein Abszess auf, das er sich entfernen ließ. Gewebeproben haben einen Hinweis auf ein Krebsgeschwür ergeben, das am 20. Juni bei einer zweiten, mehr als sechsstündigen Operation entfernt wurde. Um welche Krebsart es sich handelt, wollte Chávez bisher nicht preisgeben – die Spekulationen der Beobachter reichen von Dickdarm- bis Prostatakrebs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2011)

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