Tunesien-Wahl: Islamisten führen in Umfragen

Tunesien-Wahl: Islamisten führen in Umfragen
Tunesien-Wahl: Islamisten führen in Umfragen(c) EPA (Mohamed Messara)
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67 Prozent der Tunesier wissen noch nicht, wem sie im Oktober ihre Stimme geben werden. Seit dem Zusammenbruch des autoritären Regimes im Jänner sind bereits rund hundert Parteien gegründet worden.

Zwei von drei Tunesiern (67 Prozent) wissen derzeit noch nicht, wem sie bei den auf den 23. Oktober verschobenen Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung ihre Stimmen geben werden. Von denen, die sich bereits festgelegt haben, wollen 14,3 Prozent die Islamisten-Partei Ennahda (Wiedererweckung) wählen. Das hat eine repräsentative Umfrage ergeben, deren Resultate am Donnerstag in Tunis veröffentlicht wurden.

Für die säkular ausgerichtete Demokratische Fortschrittspartei (PDP) von Ahmed Nejib Chebbi wollen 4,7 Prozent der Befragten votieren, für das Demokratische Forum der Arbeit und Freiheiten (FDTL) 1,6 und für die Kommunistische Arbeiterpartei (PCOT) 0,8 Prozent. Die Umfrage wurde von dem auch in Frankreich tätigen Marketinginstitut "3C Etudes" durchgeführt.

Seit dem Zusammenbruch des autoritären Regimes im Jänner sind bereits annähernd hundert Parteien gegründet worden. Derzeit wird das Land von einer Übergangsregierung unter Premierminister Beji Caid Essebsi geführt.

Islamisten warnen vor Ausgrenzung

Die Ennahda-Partei hat die säkular orientierten Gruppen vor möglichen Ausgrenzungsversuchen gewarnt. Jede künftige tunesische Regierung, der Ennahda nicht angehören würde, wäre "sehr schwach", erklärte Parteichef Rached Ghannouchi. Ennahda sei die "größte Partei" des Landes und vertrete die "moderate islamische Strömung".

Ennahda hatte bei Wahlen im Jahr 1989 mit ihren Kandidaten 17 Prozent der Stimmen erhalten und war Anfang der 1990er Jahre von Staatschef Zine El Abidine Ben Ali verboten worden. Etwa 30.000 Mitglieder wurden eingesperrt, Hunderte verließen Tunesien. Parteichef Ghannouchi wurde in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt, er lebte in London im Exil. Ghannouchi hatte nach seiner Heimkehr angekündigt, dass weder er noch ein anderes Mitglied seiner Partei für das Präsidentenamt kandidieren würde. Die Partei steht nach eigener Darstellung für einen gemäßigten Islam und vergleicht sich mit der türkischen Regierungspartei AKP (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) von Premier Recep Tayyip Erdogan.

Ennahda ist aus der nationalen Reformkommission ausgetreten, die den Übergang des Landes zu demokratischen Strukturen steuern soll. Das im Februar gebildete Gremium besitze keine Legitimität, sagte Ghannouchi. Die Streitigkeiten, die Ennahda zum Verlassen der Kommission veranlassten, konzentrieren sich auf Fragen der Parteienfinanzierung und auf die Haltung gegenüber Israel. Die Islamisten verlangen die Verankerung des Verbots jeder Normalisierung der Beziehungen mit dem jüdischen Staat im "Republikanischen Pakt", der die Grundlage der künftigen Verfassung bilden soll.

Nach wochenlangen Massenprotesten war Tunesiens Langzeit-Machthaber Ben Ali Mitte Jänner überstürzt nach Saudi-Arabien geflüchtet. Die frühere Staatspartei "Rassemblement constitutionnel démocratique" (RCD), die über zwei Millionen eingeschriebene Mitglieder hatte, wurde aufgelöst und verboten.

(Ag.)

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