KGB-Affäre: Krise zwischen Österreich und Litauen

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KGBAffaere Proteste oesterreichs Botschaft(c) APA/ELTA (ELTA)
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Litauen ist wegen der Freilassung des "Kommandanten der Blutnacht" außer sich und provoziert Wien mit einem Geschichtsbuch. Vor der Botschaft in Vilnius protestierten Hunderte - auch mit beschmierten Österreich-Fahnen.

Eiszeit zwischen Wien und Vilnius: Die Freilassung eines per Haftbefehl gesuchten russischen KGB-Offiziers durch die österreichischen Behörden hat eine schwere diplomatische Krise ausgelöst. Zudem protestierten zwischenzeitlich Hunderte Demonstranten vor der österreichischen Botschaft in Vilnius - und das auch mit beschmierten Österreich-Fahnen.

Die Teilnehmer  unterstellen der Bundesregierung, mit Russland gemeinsame Sache zu machen. "Freunde Putins" oder "Schande" war auf Plakaten zu lesen, rot-weiß-rote Fahnen wurden mit Hammer und Sichel ergänzt. Auch zwei litauische Abgeordnete mischten sich unter die Demonstranten.

Protestnote und Geschichtsbuch

Litauens Premier Andrius Kubilius hatte Österreich bereits am Wochenende "Missachtung europäischer Solidarität" vorgeworfen. Am Montag zog Vilnius auch formale Konsequenzen. Botschaftsrat Josef Sigmund wurde (anstelle des im Urlaub weilenden Botschafters Helmut Koller) zu "Konsultationen" in Litauens Hauptstadt einberufen. Dort wurden ihm eine Protestnote und ein Buch über die "Ereignisse des 13. Jänner 1991" überreicht.

Die Einberufung des Botschafters für Konsultationen stellt die zweitschärfste Sanktion im diplomatischen Verkehr dar. Die Schärfste ist der Abzug des Botschafters auf unbestimmte Zeit.

Auch Litauens Präsidentin und Ex-Kommissarin Dalia Grybauskaite verurteilte Österreichs Verhalten. Sie nannte die Vorgangsweise der Wiener Behörden "eine politisch nicht zu rechtfertigende Handlung". Die litauische Parlamentspräsidentin Irena Degutiene sprach von einer "verwegenen Ohrfeige" für ihr Land. Sie will sich jetzt an das Europarlament wenden und dort erfragen, "ob in der EU für verschiedene EU-Länder verschiedene Rechtsregeln" gelten.

"Kommandant der Blutnacht"

Die Vorgeschichte: Mikhail G., Ex-Offizier des sowjetischen Geheimdiensts KGB, steht in Litauen wegen Kriegsverbrechen unter Anklage. G. wird vorgeworfen, als Kommandant der Sondereinheit "Alpha" die Hauptverantwortung für die "Blutnacht" von Vilnius zu tragen. In der Nacht auf den 13. Jänner 1991 waren rund um den Fernsehturm in der Hauptstadt Litauens 14 Menschen erschossen worden, um die Unabhängigkeitsbewegung zu schwächen.

"Blutnacht" von Vilnius

Am Donnerstag wurde G. schließlich verhaftet - und zwar am Flughafen in Wien-Schwechat. Kurz darauf wurde der Afghanistan-Veteran aber wieder freigelassen - und zwar aus "rein rechtlichen Gründen", wie es im Außenministerium hieß. Die im Haftbefehl gelieferten Informationen aus Litauen seien "zu vage" gewesen.

In der Nacht vom 13. Jänner 1991 starben in der litauischen Hauptstadt Vilnius vierzehn Menschen. Sie wollten den Fernsehturm im Unabhängigkeitskampf vor der sowjetischen KGB-Sondereinheit "Alpha" schützen- Die Elitetruppe "Alpha" feuerte gezielt in die Menge der Demonstranten. Das Massaker ist als "Blutnacht von Vilnius" in die Geschichte eingegangen. Damaliger Verantwortlicher für die "Alpha"-Truppe und somit für das Massaker war Ex-KGB-Offizier Mikhail G.

Historiker bewerten den 13. Jänner 1991 als Wendepunkt für die Unabhängigkeits-Bestrebungen der baltischen Staaten. Im Anschluss daran erkannte Island als erster westlicher Staat die Unabhängigkeit der baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen an. Zwanzig Jahre später gehören die drei früheren Sowjetrepubliken dem westlichen Militärbündnis Nato und der Europäischen Union an.

(c) APA

"Beschissenes, kleines Land"

Litauen reagierte auf die Freilassung mit einer Welle der Empörung. Neben der Kritik des Premiers bezeichnete auch Politologe und Kommentator Vladimiras Laucius in einem am Sonntag auf dem Online-Portal "delfi.lt" veröffentlichten Kommentar Österreich als "beschissenes kleines Land".

"Wer erinnert sich nicht daran, als ein ehemaliger französischer Botschafter Israel als 'beschissenes kleines Land' bezeichnete. Das waren verabscheuungswürdige und unfaire Worte. Wenn aber heute jemand Österreich derart charakterisierte, wäre das weder allzu verabscheuungswürdig oder zu unfair. Nach dieser Sauerei ist dies sogar ziemlich zutreffend", heißt es in dem Kommentar.

"Unsere Justiz ist unabhängig"

Trotz der Kritik aus Litauen ist der Fall für Österreichs Außenminister Michael Spindelegger zumindest juristisch erledigt: "Wir sind ein Rechtsstaat, das ist klar, mit einer unabhängigen Justiz, die ihre Entscheidungen trifft. Das ist zur Kenntnis zu nehmen." Litauen habe eine Frist für die Nachlieferung von "ganz konkreten Angaben" verstreichen lassen. "Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft entschieden, keinen Haftantrag zu stellen" so Spindelegger.

Ob Spindelegger auf dem EU-Außenministertreffen am Montag seinem litauischen Amtskollegen Audronius Azubalis die Causa besprechen wird? "Wenn er noch einmal will. Wir haben das schon erörtert. Wir können das gerne noch mal tun."

Grüne fürchten um Österreichs Ruf

Die Grünen fordern unterdessen eine restlose Aufklärung über die Freilassung von Mikhail G. Österreich dürfe nicht "den Ruf als Umstiegs- und Tummelplatz international gesuchter Despoten oder Kriegsverbrecher bekommen", erklärte Justizsprecher Albert Steinhauser.

(Red./APA)

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