Beatrix Karl: Die Professorin, die gerne prüft

Beatrix Karl Professorin gerne
Beatrix Karl Professorin gerne(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt geriet Ministerin Beatrix Karl unter Druck - in der Causa Golowatow. Der Fall schadete dem Versuch, den Bürgern das Vertrauen ins Justizsystem zurückzugeben.

Beatrix Karl unterstreicht Botschaften gerne mit ihrer Mimik. Kritische Fragen quittiert sie mit einem ernsten Gesicht, andererseits versucht Karl aber auch mit ihrem Lächeln zu punkten. Wenn etwa Bürger am Rande von Veranstaltungen persönlich ihre Wut über verlorene Gerichtsfälle vortragen, probiert die Justizministerin, die Situation sehr freundlich und mit dem Verweis auf die Unabhängigkeit der Richter zu beruhigen. Das gelingt Karl oft. Doch auch sie weiß, dass einzelne Worte nicht ausreichen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wieder herzustellen.

Dafür muss man auch in öffentlich bedeutsamen Fällen ein gutes Bild vermitteln. Und dies ist beim Fall des von Litauen gesuchten, ehemaligen KGB-Kommandanten Michail Golowatow schief gegangen. Zum ersten Mal in ihrer Amtszeit als Justizministerin geriet nun auch Karl unter Druck. Da fiel es der seit April im Justizressort tätigen Karl schwer, zu erklären, warum der Verdächtige bereits nach 22 Studen auf freien Fuß gesetzt wurde. Auch wenn kein gültiger Europäischer Haftbefehl vorlag, hätte man den Tatverdacht schon etwas länger prüfen sollen, meinen Strafjuristen. Karl begnügte sich im Fall Golowatow mit dem Verweis darauf, dass die Behörden korrekt gehandelt hätten. Berichte über Interventionen des russischen Botschafters inmitten der Nacht hinterlassen zudem kein gutes Bild in der Öffentlichkeit, auch wenn Karl Interventionen bei ihr dementiert hat. Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek verlangte sogar den Rücktritt der verantwortlichen Regierungsmitglieder und merkte süffisant an, er sei von der Schnelligkeit der sonst nicht allzu rasch arbeitenden Staatsanwaltschaft „fasziniert“.

Wenn schon ein Ex-Vizekanzler solche Worte findet, was soll dann erst der viel zitierte kleine Mann von der Straße denken? Es wird deutlich, dass Karl das Vertrauen der Bürger in die Justiz noch nicht wieder herstellen konnte. Sehr wohl ist es Karl in den ersten Monaten ihrer Amtszeit aber bereits gelungen, das Vertrauen der Justizbediensteten in das Ministerium wieder herzustellen. Claudia Bandion-Ortner hatte hier tiefe Wunden hinterlassen. Insbesondere die Weisung an die Staatsanwälte, in der Causa Buwog innerhalb einer Frist fertig zu ermitteln, sorgte für Irritationen. Richter und Staatsanwälte äußern sich heute aber wieder positiv über „ihre“ Ministerin, die in vielen Gesprächen den Kontakt zu allen Verantwortlichen sucht. Karl höre gut zu und sei für alle Vorschläge offen, heißt es.

Weisungsrecht. Karl ist eine gestandene Politikerin. Zum einen im positiven Sinne, weil sie sich nicht leicht aus der Ruhe bringen lässt. Aber auch im negativen Sinne, weil Stehsätze in Interviews an der Tagesordnung sind und konkrete Ansagen Mangelware bleiben. Karl zieht sich sehr gerne auf die Formel zurück, sie werde die Sache „prüfen“. Auch wenn sie in Wahrheit bereits genau weiß, was sie will. Man denke nur an das ministerielle Weisungsrecht über die Staatsanwälte, das Karl seit Monaten „prüft“, obwohl klar ist, dass sie es behalten möchte.

Vielleicht prüft Karl auch so gerne, weil sie das von ihrer Zeit als Universitätsprofessorin für Arbeitsrecht an der Uni Graz gewohnt ist. Daneben übte aber auch die Politik einen großen Reiz auf die heute 43-Jährige aus, zumal die Steirerin aus einer „schwarzen“ Familie stammt. Karls Vater und Großvater waren Bürgermeister. 2005 sollte die Wissenschaftlerin bereits in den Landtag einziehen, das schlechte Abschneiden der Steirer-ÖVP unter Waltraud Klasnic machte das zunichte. Ein Jahr später kam Karl in den Nationalrat, vor allem der neue steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer hatte sich für sie eingesetzt. Dessen Sohn Thomas Schützenhöfer fungiert heute wiederum als Kabinettschef von Karl. Auf dem Wiener Parkett konnte die Steirerin jedenfalls rasch Fuß fassen. Da habe ihr auch ihr Titel als Uni-Professorin geholfen, meint Karl, zumal man in Österreich vor Professoren Respekt habe.

Karl machte rasch Karriere, in der Perspektivengruppe von Josef Pröll fiel sie positiv auf, 2008 wurde Karl Generalsekretärin des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB, 2010 folgte der Sprung in die Regierung, zunächst als Wissenschaftsministerin. Hier gab sich Karl ambitioniert, hinterließ aber nach einem Jahr doch vor allem Baustellen. Karl machte nach der Regierungsumbildung im letzten April auch gar kein Geheimnis daraus, dass sie ihre Aufgabe im Wissenschaftsministerium gerne fortgesetzt hätte. Der Ruf ins Justizministerium lag zudem nicht auf der Hand, zumal Karl zuletzt in Studententagen mit dem Strafrecht zu tun hatte. Als Wissenschaftlerin verstand sie es aber, sich in den ersten Monaten ihres Amtes in die Materie einzulesen. Kein Wunder, bezeichnet sich Karl doch selbst als „Streberin“.

Beißhemmung. Doch wie tickt Beatrix Karl? Idole oder Vorbilder hat sie nach eigenen Angaben keine. Obwohl aus klassisch-schwarzem Milieu stammend, müsse sie auch das Beißen in Richtung des politischen Gegners erst lernen, meinte Karl etwa bei ihrer Kür zur ÖAAB-Generalsekretärin. Eine große Populistin wird die Justizministerin aber ohnehin keine mehr, sie arbeitet lieber sachorientiert. So brachte sie das Lobbyistengesetz auf Schiene, auch die schon länger ausgearbeiteten (und umstrittenen) Anti-Terror-Gesetze wurden wieder aufs Tapet gebracht. Allerdings lässt Karl auch große Visionen vermissen. Momentan geht es für sie bloß darum, seit langem offene Punkte im Justizbereich anzugehen, etwa Novellen im Familienrecht. Vor allem beim Thema gemeinsame Obsorge für Scheidungskinder muss Karl hier ihr Verhandlungsgeschick noch unter Beweis stellen. Denn bei den Verhandlungen mit dem SPÖ-Widerpart, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, bissen sich schon viele die Zähne aus.

Liiert ist Karl seit vielen Jahren mit einem Juristen, von der Politik abschalten kann die Ministerin beim Wandern durch das steirische Weinland. Privat wird die „Trixi“ als umgänglich beschrieben. „Unter ihr arbeiten ist sicher angenehmer als unter vielen anderen Politikern“, heißt es aus Karls Umfeld. Muss es wohl sein, schließlich forderte die einstige ÖAAB-Generalsekretärin mehrfach eine „menschliche Marktwirtschaft“. Nun muss Karl aber beweisen, dass es eine menschliche Justiz gibt, in der alle Bürger gleich behandelt werden. Der Fall Golowatow war dabei kein Ruhmesblatt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2011)

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