Oslo-Terror: "Löwenherz" im Visier der Polizei

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Die norwegische Polizei will mögliche Mittäter von Anders Breivik vernehmen. Brüder im Geiste hatte er viele. Die Wichtigsten unter ihnen sollen in Großbritannien leben. Sein Manifest soll Anhaltspunkte geben.

London. Noch ist nicht klar, ob der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik Komplizen hatte, als er am 22. Juli in Oslo und auf der Insel Utøya bei einem beispiellosen Massaker 77 Menschen tötete. Brüder im Geiste hatte er jedoch viele – und die wohl Wichtigsten unter ihnen sollen in Großbritannien leben.

Nachdem Breivik in einem Zwölf-Stunden-Verhör diese Woche erneut Anhaltspunkte über ihm nahestehende Personen und Organisationen in Großbritannien gegeben haben soll, will die norwegische Polizei nun weitere britische Staatsbürger befragen.

Scotland Yard ermittelt

Das Interesse der Norweger an den Kontakten ist groß. Breivik hat nach Angaben seines Anwalts damit geprahlt, seine Anhänger in anderen Ländern würden „seine Arbeit fortsetzen“, sprich, sie planten weitere Anschläge. Scotland Yard bestätigte die Zusammenarbeit mit den Kollegen in Oslo, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen.

Bereits vor zwei Wochen hatte die norwegische Polizei den britischen Blogger Paul Ray über mehrere Tage befragt. Dabei seien die Namen mehrerer Briten genannt worden, sagte Staatsanwalt Paal-Fredrik Hjort Kraby. Der 35-jährige Ray mit Wohnsitz in Malta reiste freiwillig nach Oslo, um seinen „Namen reinzuwaschen“. Er soll Chef der „Knights Templar“ sein, einer obskuren rechtsextremen Organisation, die sich in verzerrter Tradition der Tempelritter dem „Kreuzzug gegen den Islam“ verschrieben hat, und deren Mitglied wohl auch Breivik war. Ray, der seine islam-feindlichen Thesen unter dem Pseudonym „Lionheart“ („Löwenherz“) im Netz verbreitet, soll laut Medienberichten jener „Mentor“ sein, auf den sich Breivik in seinem „Manifest“ mehrfach beruft. In dem 1500-Seiten-Kompendium beschreibt Breivik das Gründungstreffen der „Knights Templar“ 2002 in London, und wie ihm dort ein Mentor mit Pseudonym „Richard the Lionheart“ (nach Richard Löwenherz, Kreuzritter und engl. König von 1189 bis 1199, Anm.) zugeteilt wurde.

„Bin nicht Breiviks Mentor“

Weiters spekuliert Breivik in dem Werk, in dem er das Massaker als notwendige Maßnahme im Kampf gegen den Islam verteidigt, ob sein „Mentor“ nicht auch Gründungsmitglied der „English Defence League“ (EDL) sei, einer weiteren rechtsextremen Organisation. Paul Ray gibt zwar zu, EDL-Gründungsmitglied gewesen zu sein und „Internetkontakt“ mit Breivik gehabt zu haben. Er sei aber nicht dessen „Mentor“ und verurteile die Anschläge: „Ein Verrückter hat unschuldige Kinder umgebracht“, so „Lionheart“ in seinem Blog.

Auch die EDL hat das Massaker auf Utøya verurteilt – bis zu den Anschlägen allerdings sollen 600 EDL-Mitglieder „Facebook-Freunde“ von Breivik gewesen sein. Nach Angaben der norwegischen Polizei ist Paul Ray kein Verdächtiger, sondern nur ein Zeuge, der Hinweise geliefert habe.

Keine Beweise für Komplizen

Der zuständige norwegische Staatsanwalt erklärte, die Polizei habe keine Beweise, dass Breivik bei den Anschlägen Komplizen hatte, könne das aber auch nicht ausschließen.

Ray, der beteuert, lediglich fundamentaler Christ und kein Rassist zu sein, ist die Verbindung zu Breivik offenbar mehr als peinlich. „Schaut, was er sagt und was ich geschrieben habe. Sieht nicht gut aus, oder?“, sagte Ray dem Magazin „Vice“. „Wie viele Leute gibt es, die unter dem Namen „Lionheart“ gegen Muslime, den Jihad und über Tempelritter schreiben? Das sieht doch ganz offenkundig aus wie ich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2011)

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