Rechtspopulisten: Neuer Ton, alter Inhalt

Rechtspopulisten: Neuer Ton, alter Inhalt
Rechtspopulisten: Neuer Ton, alter Inhalt(c) Die Presse (Clemens Fabry)/EPA (Robin Utrecht)
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Wilders, Strache & Co. sehen keinen Grund, nach den Attentaten in Norwegen ihre Politik zu ändern. Nur der Tonfall wird sanfter.

Wien/C.d./Pö/J.n. Einige von ihnen kommen namentlich vor, andere in indirekten Zitaten: Das konfuse Manifest des Osloer Attentäters ist über weite Strecken eine Huldigung an Europas Rechtspopulisten und Rechtsextreme. Diese wehren sich vehement dagegen, in der politischen Debatte für die Verbrechen „eines verkappten Idioten“ (so der Niederländer Geert Wilders) verantwortlich gemacht zu werden. Brüsk weisen sie Anschuldigungen zurück, wonach sie den Nährboden für solche terroristischen Handlungen aufbereiteten. Es gebe überhaupt keinen Anlass, ist man sich von Finnland bis Italien einig, die Linie punkto Migranten und Islam zu ändern. Höchstens im Ton wollen sich manche mäßigen – aber nicht alle.

Nur Norweger unter Druck

Dass Europas Rechtsparteien nach den Attentaten in Norwegen ihre Strategie grundlegend ändern werden, glaubt auch der Berliner Politologe Hans-Gerd Jaschke nicht: Nur die norwegische Fortschrittspartei sei unter enormen Druck geraten, sagt er der „Presse“. Andere rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien würden bei ihren Ideen und Inhalten bleiben. Empirische Daten über die Auswirkungen der Attentate und der Diskussionen über den rechten Nährboden gibt es noch nicht; ob sie den Rechtspopulisten schaden oder sogar nutzen, darüber kann vorerst nur spekuliert werden.

Es ist generell keine einheitliche Linie unter den einzelnen Parteien auszumachen. So distanzieren sich einige klar von den Nazis, andere nicht. Einen Nenner findet man in Fremdenfeindlichkeit, der Islamkritik und der EU-Skepsis. Für Knut Hauselmann, Bürgermeister der Fortschrittspartei in der norwegischen Kommune Asky, ist dennoch klar: „Mit dem Gerede, dass Einwanderer unsere Kultur zerstören, muss jetzt wohl Schluss sein.“ Auch andere finden, dass nun ruhigere Töne angesagt sind.

Geert Wilders, dem wörtlich „übel wird“ beim Lesen von Breiviks Machwerk, will „keinen Ton leiser singen“. Mogens Camre, der für die dänische Volkspartei im Europaparlament saß, sieht keinen Zusammenhang gegeben: „Als ob der Ton den Terror machte.“ Mehr Vorsicht lassen da schon die italienische Lega Nord oder die FPÖ walten. Die Lega Nord hat ihren berüchtigten Rechtsausleger Mario Borghezio, der Anders Breiviks Ideen für „sehr, sehr gut“ befunden hat, rasch zur Ordnung gerufen. Die FPÖ schloss ihren Nationalratsabgeordneten Werner Königshofer wegen seiner Anti-Islam-Äußerungen aus.

„Symbolisches Reinigungsritual“

„Ein symbolisches Reinigungsritual unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeitsarbeit“ nennt Politologe Jaschke den Ausschluss. Man wolle schließlich auch in der Mittelschicht Stimmen sammeln. Der FPÖ-Stratege Harald Vilimsky beteuert im „Presse“-Gespräch zwar, dass sie keine Strategieänderung verfolgen. Die Richtungsänderung unter Heinz-Christian Strache ist aber evident.

Der Salzburger Politologe Herbert Dachs rechnet damit, dass die FPÖ nun versuchen werde, „einen schmalen Grat des Sowohl-als-auch zu gehen“: Die Partei werde also „einerseits entrüstete Distanzierung von den schrecklichen Ereignissen demonstrieren, andererseits aber doch den Kern ihrer Kritik erhalten“. Nach einigen Wochen der „totalen Vorsicht“ werde man also „durchaus zu alter emotionaler Frische zurückkehren, zu Pauschalurteilen, deftigen Sprüchen auch unter der Gürtellinie und zum Schüren von Ängsten“. Man wolle ja weiterhin die eigene Wählerklientel ansprechen.

Quasi nebenbei können sich die Parteien jetzt von missliebigen Aktivisten befreien. Diese decken oft nur den extremen Rand ab, verschrecken aber die Masse und richten so mehr Schaden an, als sie Nutzen bringen. Langfristig schaden würden die Norwegen-Attentate den Rechtsparteien nicht, da sich diese vom Täter ausreichend distanziert hätten, sagt Politologe Jaschke. Man schafft also die Trennung zwischen der Wahnsinnstat und den politischen Ideen, derer sich Breivik bedient hat. Außerdem seien bei nationalen Wahlen lokale Ereignisse entscheidend und keine internationalen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. Juli 2011)

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