Saudi-Standpauke für Assad

(c) Reuters (SANA)
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Syriens Nachbarn rücken immer mehr vom Regime in Damaskus ab und verlangen ein „Anhalten der Tötungsmaschinerie“. Der saudische Botschafter in Damaskus wurde nach Riad zurückbeordert.

Die Beziehungen zwischen dem saudischen Königreich und Syrien sind mit wechselhaft wohl am treffendsten beschrieben. Hafez al-Assad, der im Jahr 2000 verstorbene syrische Präsident und Vater des heutigen Machthabers Bashar al-Assad hatte sich im Golfkrieg 1991 gegen Saddam Hussein gestellt und sich damit in die breite arabische Allianz eingereiht. Den Golfkrieg III im Jahr 2003 hatte Damaskus hingegen scharf kritisiert und Saudiarabiens stille Unterstützung verurteilt. Einen Tiefpunkt erreichten die Beziehungen nach dem Attentat auf den engen Freund des saudischen Königs Abdullah und früheren libanesischen Premier Rafiq Hariri am 14. Februar 2005. Hariri hatte ein paar Monate vor seinem Tod sein Amt aus Protest gegen den Einfluss Syriens niedergelegt. Nicht nur die Saudis vermuteten damals eine syrische Beteiligung. Doch in jüngster Vergangenheit wurde der Ton zwischen Damaskus und Riad wieder deutlich freundlicher: Im Oktober 2009 hatte König Abdullah Damaskus einen Besuch abgestattet, den Assad im Jänner 2010 in Riad erwiderte – man sprach über politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Doch dann zog der arabische Frühling ein. In Syrien brachen alte Wunden wieder auf: Im März 2011 begannen Unruhen in der Stadt Deraa an der syrisch-jordanischen Grenze, die am 22. April die Stadt Hama erreichten. Im Jahr 1982 hatte Hafez Assad in der Stadt Hama einen Aufstand der Muslim-Bruderschaft blutig niederschlagen lassen – zwischen 20.000 und 40.000 Menschen sollen damals umgekommen sein. Am 3. Juni 2011 wurden in Hama 70 Menschen getötet, einige Tage später wurden 200 weitere Todesopfer von dort gemeldet. Bisher sollen nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten in ganz Syrien insgesamt etwa 2000 Menschen ums Leben gekommen sein.

Die Regierung in Damaskus hatte sich offenbar dazu entschlossen, mit aller Härte gegen die Zeitlupenrevolution im Land vorzugehen. Zugleich versuchte Assad die Hoffnung auf eine friedliche Lösung am Leben zu halten, indem er am 20. Juni tiefgreifende Reformen versprach (auf die man freilich bis heute vergeblich wartet).

Nachdem am Wochenende wieder 100 Menschen ums Leben gekommen sind, las der saudische König Abdullah Assad die Leviten. In einer Ansprache meinte er: „Syrien weiß, dass die (saudische) Monarchie in der Vergangenheit zu ihm stand. Heute verlangen wir ein Anhalten der Tötungsmaschinerie, ein Ende des Blutvergießens.“ Präsident Assad müsse echte Reformen auf den Weg bringen, „bevor es zu spät ist“. Der saudische Botschafter in Damaskus wurde nach Riad zurückbeordert, Kuwait folgte rasch dem Beispiel Saudiarabiens.

Schutzpatron Saudiarabien

Saudiarabien versteht sich als Schutzpatron der sunnitischen Mehrheit in Syrien, die sich vom schiitisch-alevitisch dominierten Regime in Damaskus zunehmend unterdrückt sieht. Saudiarabien steht vor einem Dilemma: Riad fürchtet den Ausbruch eines Bürgerkrieges oder zumindest blutiger Machtkämpfe zwischen Aleviten, Sunniten und Kurden, die auch äußerst negative Auswirkungen auf den Libanon oder den Irak haben könnten.

Saudiarabiens Glaubwürdigkeit leidet aber unter der Tatsache, dass Riad im März Panzer beim Nachbarn Bahrain einmarschieren ließ, um der befreundeten Scheichdynastie der Khalifas bei der Niederschlagung von Schiitenaufständen zur Hand zu gehen.

Ein wankendes Regime in Damaskus, dessen Einfluss im Libanon schwindet und dessen Allianz mit Teheran schwächelt, wäre dem saudischen Königshaus nicht unrecht – eine Position, die jener der USA oder Israels nicht unähnlich ist. Vor allem Israel hat es vermieden, sich zu Wort zu melden – weil die israelischen Experten bisher vom Überleben des Regimes in Damaskus ausgegangen sind und Assad in Jerusalem zwar als Erzfeind gesehen wird – allerdings als berechenbarer Erzfeind.

Ankara am Ende der Geduld

Die Türkei hatte von Beginn der Proteste in Syrien an versucht, mäßigend auf Assad einzuwirken. Doch der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu musste frustriert zur Kenntnis nehmen, dass der Einfluss auf Damaskus begrenzt ist. Davutoğlu soll heute, Dienstag, nach Damaskus reisen und Assad vermitteln, dass Syrien dabei sei, die Türkei endgültig als Partner zu verlieren. Die Zeitung „Radikal“ berichtet, dass Davutoğlu Assad zwei Alternativen vor Augen führen will: Entweder er ende wie der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow als geachteter Reformer oder ihm drohe das Schicksal eines Saddam Husseins, eines unter Johlen der Schaulustigen hingerichteten Diktators.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2011)

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