Assad drohte Türkei mit "Krieg in der ganzen Region"

Syrien Herbe Abfuhr fuer
Syrien Herbe Abfuhr fuer(c) REUTERS (RAHEB HOMAVANDI)
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Der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu reiste zu Präsident Bashir al-Assad, um ihn zur Zurückhaltung zu bewegen. Doch Syrien setzt die Militäroffensive gegen die Protestbewegung fort.

Istanbul/Damaskus. Während der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu in Damaskus Präsident Assad eine „ernste Botschaft" überbrachte, sprich ihn zu einem Ende der Militäraktionen gegen Demonstranten bewegen wollte, hatte Assad eine ganz eigene Botschaft: Er ließ seine Militäroffensive offenbar ungerührt fortsetzen.

Und nicht nur das: Er drohte auch gleich mit Krieg: „Wenn Sie wegen eines Kompromisses gekommen sind, dann lehnen wir ihn ab. Wenn Sie aber Krieg wollen, dann können Sie ihn haben - in der ganzen Region", sagte er laut libanesischen Medien.

Die bis vor Kurzem sehr guten Beziehungen zwischen Ankara und Damaskus werden durch die gewaltsame Niederschlagung der Proteste immer mehr getrübt. Am Wochenende erklärte der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan, dass seine Geduld am Ende sei und warf dem Regime in Damaskus Grausamkeit vor.

Wenn jemand etwas in Damaskus erreichen kann, dann Davutoğlu, der über Jahre dort ein und aus gegangen ist. Und wenn die Türkei wollte, könnte sie auf den kleinen Nachbarn, mit dem sie eine 800 Kilometer lange Grenze teilt, erheblichen ökonomischen Druck ausüben.

Weitere Militäreinsätze


In der Nacht auf Dienstag ging das Regime in dem nur 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernten Städtchen Binnish mit Panzern gegen Demonstranten vor, die sich zum Gebet versammelt hatten. Neue Militäreinsätze wurden auch als Deir ez-Zor am Euphrat und aus Hama gemeldet. Grundsätzlich sind solche Meldungen aber kaum zu überprüfen.

Die Gewalteskalation in Syrien bringt Ankara zunehmend unter Druck. Ein guter Teil der eigenen Anhängerschaft sympathisiert entschieden mit den Demonstranten.
Es kommt hinzu, dass die Eskalation ausgerechnet im islamischen Fastenmonat stattfindet, in dem die Waffen ruhen sollten. Das spüren auch andere islamische Regierungen. Harte Kritik an Damaskus äußerte der saudiarabische König Abdullah. Saudiarabien, Bahrain und Kuwait zogen ihre Botschafter aus Damaskus ab. Das hat Ankara bisher nicht erwogen.

Kein Abbruch der Beziehungen


Die Beziehungen zwischen der Regierung Erdoğan und Syrien sind vielfältig; ein völliger Abbruch ist eher unwahrscheinlich. Neben der ökonomischen Verflechtung beider Länder, die erst in den letzten Jahren entstanden ist, gibt es auch gemeinsame Sicherheitsinteressen.
Bei einem Vorbereitungstreffen zu der Reise Davutoğlus soll der neue türkische Generalstabschef Necdet Özel die Befürchtung geäußert haben, die PKK könnte künftig auch über Syrien in die Türkei eindringen. Erst in diesem Frühjahr hatten beide Länder eine spezielle Telefonverbindung eingerichtet, über die die Syrer die Türkei über PKK-Aktivitäten und Abschiebungen informieren. Die PKK, die unter Hafez al-Assad, dem Vater des heutigen Präsidenten Bashir al-Assad, in Syrien lange Zeit geduldet wurde, hat eine gewisse Anhängerschaft unter den in Syrien lebenden Kurden.

Aber auch ganz abgesehen von der PKK, würde ein Machtvakuum oder ein Bürgerkrieg in Syrien auch die Türkei erheblich in Mitleidenschaft ziehen. Sie könnte mit einem Flüchtlingsdrama konfrontiert sein.
Außerdem sympathisiert zwar die sunnitische Mehrheit in der Türkei mit dem Aufstand, ein Teil der alawitischen Minderheit aber mit dem syrischen Regime.

Wie groß ist Ankaras Einfluss?


Die türkische Opposition beschuldigt bereits die Regierung - wohl zu Unrecht -, einem westlichen Eingreifen in Syrien Vorschub zu leisten. Das wäre jedoch ein Bruch mit der Doktrin der türkischen Außenpolitik, wonach sich die Probleme der Region weder durch militärischen noch wirtschaftlichen Druck lösen lassen.

Davutoğlu ist nun an der Reihe zu zeigen, dass die türkische Diplomatie es besser kann. In der Türkei erinnert man sich aber noch gut an die Versuche von Bülent Ecevit und später von Abdullah Gül, Saddam Hussein im Streit mit den USA zum Nachgeben zu bewegen. Saddam wollte nicht hören, obwohl er noch viel mehr mit dem Rücken zur Wand stand als heute Assad.

Auf einen Blick

Die Türkei versucht seit Beginn der Proteste in Syrien, auf die Machthaber in Damaskus einzuwirken; mit Dialog und Reformen und nicht mit Kugeln aus Gewehrläufen auf die Forderungen der Aufständischen zu reagieren. Bisher mit wenig Erfolg: In Ankara fürchtet man, dass die Lage außer Kontrolle gerät und dass die Mehrheit der türkischen Bevölkerung mit den Forderungen der Aufständischen sympathisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2011)

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