Zusammenstöße am "Tag des Zorns"

Zusammenstoesse Zorns
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Nahost. Israelische und palästinensische Sicherheitskräfte waren am Freitag in höchster Alarmbereitschaft. Noch vor Abbas' UN-Rede gab es erste Krawalle.

Jerusalem. „Obama hör uns an, wir wollen einen Staat“, rief eine Gruppe palästinensischer Frauen während der Rede von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und: „Lass ab von deinem Veto“. Die Leinwand zur Übertragung von der UN-Generalversammlung in New York gestern (Freitag) Abend, hing nicht wie geplant am Damaskustor sondern an der Ladentür neben dem El-Ayed Restaurant vis-a-vis der Jerusalemer Altstadt. Kaum 200 Palästinenser versammelten sich dort, um die „historische“ Rede des PLO-Chefs Abbas zu verfolgen. In Ramallah begingen einige Tausend Menschen das Ereignis mit Musik und Tanz wie ein Volksfest. Den Staat Palästina als vollen Mitgliedsstaat anzuerkennen, so appellierte Abbas vor den UN-Staaten, „ist der größte Beitrag zum Frieden im Heiligen Land“.

Aus Sorge vor Auseinandersetzungen sind seit gestern 10.000 Polizisten im Westjordanland im Einsatz. Israel hat vor allem im Grenzbereich und in Jerusalem über 20.000 Soldaten und Polizisten in Alarmbereitschaft. Schon am Nachmittag war ein 33jähriger Palästinenser in der Nähe von Nablus bei Auseinandersetzungen mit der Armee von Soldaten erschossen worden. Beide Seiten überprüfen derzeit den Vorfall. Bis spät in die Nacht lieferten sich junge Steinewerfer am Grenzübergang Kalandia und anderen Orten im Westjordanland Gefechte mit den israelischen Sicherheitskräften.

„Obama jüdischer Präsident“


In Ostjerusalem hielt sich die Zahl der israelischen Sicherheitskräfte und der palästinensischen Zivilisten die Waage. „Wir sind Israelis“, erklärte Ibrahim Arbid, der mit zwei Freunden etwas abseits von der Leinwand saß, das dürftige Interesse. „Wir wollen einen Staat Palästina“, sagte der 74jährige, „aber ich glaube nicht daran, dass ich das noch erleben werde“. Schuld sei Israel und die USA, die sich immer deutlicher gegen die Palästinenser positionierten.

Nicht genug damit, dass die USA ihr Veto gegen die UN-Mitgliedschaft Palästinas ankündigten und sogar mit der Einstellung der Finanzhilfe drohten. In seiner Rede zum Auftakt der UN-Generalversammlung verpasste es US-Präsident Barack Obama, die israelischen Siedler und die Grenze von 1967, die die PLO für den Staat Palästina fordert, zu erwähnen. „Ich hätte die Rede selbst nicht besser schreiben können“, soll Israels nationalistischer Außenminister Avigdor Liebermann kommentiert haben, während die liberale israelische „Haaretz“ Obama auf der Frontseite ihrer Wochenendbeilage mit Kipa zeigt und als „ersten jüdischen Präsidenten“ bezeichnet.

Israelis für Palästinenserstaat

Im Westjordanland wechselt die Stimmung zwischen Hoffnung und Frustration. Laut einer Umfrage des „Palestinian Center for Policy and Survey Research“ in Ramallah unterstützen über 80 Prozent den Antrag der PLO. Große Skepsis empfinden die Menschen im Gazastreifen. „Ein palästinensischer Staat repräsentiert die besetzten Gebiete, Gaza, Jerusalem und Westjordanland“, sagt Raji Sourani, Direktor des „Zentrums für Menschenrechte“ im Gazastreifen. Unklar ist, wer die im Exil lebenden Flüchtlinge vertritt. „Wir betrachten die PLO als legitimen Repräsentanten aller Palästinenser, auch derer, die im Exil leben“, sagt Sourani. Seit 1975 genießt die PLO einen Beobachterstatus in der UN. Beides, eine PLO-Vertretung und eine Vertretung des palästinensischen Staates, wird nicht möglich sein.

Die Führung der Hamas im Gazastreifen hatte gestern zum „Tag des Zorns“ aufgerufen. Die Islamisten lehnten den Antrag der PLO auf UN-Mitgliedschaft stets ab. Ismail Haniyeh, Chef der Hamas im Gazastreifen, verurteilte die „freiwilligen Zugeständnisse“ der PLO, wenn sie von einem Staat in den Grenzen von 1967 spricht. Nach Ansicht der Hamas haben die Palästinenser das Recht auf die gesamte Region, Israel inbegriffen. Die Hamas lehnt jedes Einmischen der Vereinten Nationen in der Region ab. Nicht zuletzt der UN-Bericht zum Flotillen-Disaster, in dem die israelische Blockade als rechtens erklärt wird, zeige, wie einseitig die UN eingestellt seien. Schmerzlich für die Hamas ist auch, dass sie an dem PLO-Auftritt in New York keinen Anteil hat. „Abbas hat diese Entscheidung allein getroffen, ohne sich mit den anderen palästinensischen Fraktionen vorher zu beraten“, kritisierte Fausi Barhum, ein Sprecher der Hamas.

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