Papandreou rücktrittsbereit? "Hänge nicht an Posten"

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Griechenlands Premier Georgios Papandreou will mit der Opposition über eine Übergangsregierung verhandeln. Er zeigte sich rücktrittsbereit. Ein Referendum zum Euro-Ausstieg steht nicht mehr zur Debatte.

Wien/Ag./Red.Die letzten Stunden von Georgios Papandreou als griechischem Premierminister sind gezählt. Nach einer eilig einberufenen, mehrstündigen Ministerratssitzung und Gesprächen mit der Opposition am gestrigen Donnerstag stimmte der strauchelnde Regierungschef der Bildung einer Übergangsregierung zu. Er signalisierte dann am Abend seine Bereitschaft zum Rücktritt: „Ich hänge nicht an meinem Posten", erklärte er in einer Parlamentsdebatte. Auch der Hauptgrund für die jüngste Regierungskrise - das von Papandreou am Montag angekündigte Referendum über die von Brüssel geforderten Sparpläne - ist vom Tisch. Sollte die Opposition den Sparkurs der Regierung billigen, müsse keine Volksabstimmung abgehalten werden, sagte Papandreou.

„Ich werde mit Oppositionsführer Antonis Samaras die weiteren Schritte für einen größeren Konsens besprechen", so der Premier. Die Übergangsregierung soll von Experten geführt und von der größten Oppositionspartei, der konservativen Nea Demokratia, unterstützt werden und das Land bis zu den nächsten Neuwahlen führen. Die Entscheidung könnte sehr rasch fallen.

Keine Parlamentsmehrheit mehr

Papandreous Zustimmung zu einer Übergangsregierung kam für Beobachter nicht überraschend. Zwar will der Premierminister noch am heutigen Freitagabend die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Schließlich aber konnte er dem Druck auch aus den eigenen Reihen nicht länger standhalten: Immer mehr Abgeordnete seiner sozialistischen Regierungsfraktion Pasok verweigerten Papandreou die Gefolgschaft in der Referendumsfrage und forderten die Bildung einer „Regierung der nationalen Rettung". Schon Donnerstagvormittag arbeiteten mehrere Abgeordnete an einem Vorschlag für eine Koalitionsregierung unter der Leitung des früheren Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos.

Im Laufe des Tages wurde klar, dass Papandreou die nötige Parlamentsmehrheit von mindestens 151 der 300 Sitze bei einer Vertrauensabstimmung nicht erhalten würde. Die bequeme Mehrheit der Pasok von 160 Mandaten war in den vergangenen Tagen immer weiter zusammengeschmolzen.

„Rücktritt bereits paktiert"

Dass Papandreou schließlich seinen Verzicht auf ein Referendum erklärte, lag auch an der offenen Abkehr seines Finanzministers Evangelos Venizelos. Dieser erklärte bei seiner Rückkehr vom Euro-Krisengipfel in Cannes, das von seinem Regierungschef angekündigte Referendum ebenfalls abzulehnen. Griechenlands Position in der Eurozone könne nicht infrage gestellt werden, argumentierte er. Dies sei eine „historische Errungenschaft des Landes" und dürfe „nicht von einem Referendum abhängen". Regierungskreisen zufolge hat Papandreou mit mehreren Ministern unter Führung von Venizelos bereits eine Vereinbarung zu seinem Rücktritt getroffen. Demnach ist er dazu bereit, um seine sozialistische Partei an der Macht zu halten. „Ihm wurde gesagt, dass er sich ohne großes Aufheben zurückziehen muss, um seine Partei zu retten", sagte ein Insider. „Er stimmte dem Rücktritt zu. Es lief sehr zivilisiert ab, ohne Bitterkeit."

Die Referendumsankündigung hatte auch europaweit großes Erstaunen ausgelöst. Die für Mitte November vereinbarte sechste Tranche des ersten Griechenland-Rettungspakets wurde deshalb auf Eis gelegt. Nach dem Einfrieren der Tranche spitzt sich die Lage für die griechische Regierung nun aber auch finanztechnisch zu. Laut Regierungskreisen reicht das Geld noch bis Mitte Dezember. Dann benötigt der Staat die eigentlich bereits zugesagten acht Milliarden Euro aus bilateralen Krediten der EU-Partner.

Austritt aus dem Euro?

Nach wie vor steht ein möglicher Austritt des Landes aus dem Euro im Raum. Nachdem Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit Papandreou kurz vor dem G20-Gipfel in Cannes erklärt hatten, ein Euro-Austritt des Landes sei kein Tabu mehr, reagierten die Finanzmärkte nervös. „Wir sind gewappnet", sagte Merkel. „Unsere griechischen Freunde müssen entscheiden, ob sie die Reise mit uns fortsetzen wollen", sagte Sarkozy.

EZB-Präsident Mario Draghi hält einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone für nicht vorstellbar. Eine solche Möglichkeit sähen die EU-Verträge überhaupt nicht vor, so der neue Chef der Europäischen Zentralbank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2011)

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