Berlusconi: "Kann Land nicht im Chaos zurücklassen"

Berlusconi Kann Land nicht
Berlusconi Kann Land nicht(c) REUTERS (DYLAN MARTINEZ)
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Obwohl enge Mitarbeiter dem italienischen Regierungschef zum Aufgeben raten und die Opposition am Wochenende Massen auf die Straßen bringt, lehnt Silvio Berlusconi einen Rücktritt – vorerst noch – ab.

[Rom]. Wiederaufbau. Unter diesem Motto stand am Wochenende eine Massendemonstration, mit der Italiens größte Oppositionspartei, der linke Partito Democratico, die Zeit nach Berlusconi einläuten wollte. Auf dem Platz vor der Lateranbasilika in Rom versammelten sich Zehntausende, um den Rücktritt des angeschlagenen Regierungschefs zu verlangen. Dieser wiederum ließ aus seinem Regierungssitz mitteilen, es tue ihm Leid für alle seine Gegner, „aber ich kämpfe weiter“.

Bei der Großdemonstration der Sozialdemokraten verzichtete Parteichef Pier Luigi Bersani auf die Forderung nach sofortigen Neuwahlen. Dies war mit Staatspräsident Giorgio Napolitano so abgesprochen und sollte dazu beitragen, „die Märkte“ nicht weiter zu verunsichern. Wie die anderen Gegner Berlusconis bekräftigte Bersani stattdessen, nötig sei eine „international vertrauenswürdige“ Übergangsregierung ohne Berlusconi; in diesem Falle seien die Sozialdemokraten willens, „wirkliche Maßnahmen zur Rettung der Nation“ mitzutragen und ihren Beitrag zu leisten, „dem Land seine Würde zurückzugeben“.

Unmut in Partei wird größer

Für Parlamentswahlen nach der Übergangsregierung – regulär fänden sie 2013 statt – verlangte Bersani einen „neuen Regierungspakt aller Oppositionsparteien zum Wiederaufbau des Landes“.

Regierungschef Berlusconi war zuvor von den engsten Mitarbeitern in der eigenen Parteiführung zum Rücktritt gedrängt worden. Parteisekretär Angelino Alfano verwies unter anderem auf den Wechsel zweier Parlamentsabgeordneter zur Opposition, sowie auf kritische parteiinterne Strömungen, offene Briefe und andere Unmutsäußerungen, die Berlusconis Mehrheit im Parlament praktisch bereits zunichte gemacht hätten.

Ferner sind Versuche von Berlusconis Partei gescheitert, wenigstens die oppositionellen Christdemokraten zur parlamentarischen Unterstützung der Sanierungsbeschlüsse ins Boot zu holen. Die Umworbenen lehnten ab. In der Regierungskoalition wiederum lehnte sich die Lega Nord auf. Eine „Erweiterung der Mehrheit“ oder eine Übergangsregierung sei ein „Staatsstreich“, sagte Lega-Reformminister Roberto Calderoli.

Gibt es „ehrenvollen“ Ausweg?

Seinen Willen, im Amt zu verbleiben, soll Berlusconi mit dem Satz begründet haben, er könne „das Land nicht im Chaos zurücklassen“. Die nächste Bewährungsprobe steht morgen, Dienstag, im Parlament an. Da soll ähnlich wie in bürgerlichen Vereinen zur Entlastung des Vorstands der Rechnungsabschluss der Regierung für das Vorjahr gebilligt werden.

Als Weg für einen „ehrenvollen“ Ausstieg Berlusconis deutet sich inzwischen folgende Möglichkeit an: Im Parlament könnte der Premier, „weil Europa das so von uns verlangt“, zu einem einstimmigen Beschluss der von seiner Regierung geplanten Sanierungsmaßnahmen drängen und gleichzeitig versprechen, nach erfolgreicher Abstimmung sein Amt in die Hände des Staatspräsidenten zurückzulegen.

Das könnte bereits in wenigen Wochen geschehen, da die EU und der Internationale Währungsfonds auf rasche Beschlüsse gedrängt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2011)

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