Bitterer Sieg: Berlusconi verliert Regierungs-Mehrheit

Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi(c) AP (Andrew Medichini)
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Die Tage des "Cavaliere" an der Spitze Italiens scheinen gezählt. Der Premier gewinnt zwar die Wahl über das Budget 2010, verliert aber die Mehrheit im Parlament. Derzeit läuft ein Treffen zwischen ihm und Präsident Napolitano.

Jahrelang hing er in den Seilen, zog seinen Kopf aber immer wieder aus der Schlinge, jetzt scheinen die Tage des Cavaliere an der Spitze des hoch verschuldeten Italiens aber endgültig gezählt: Silvio Berlusconi hat am Dienstag zwar die Abstimmung über den Rechenschaftsbericht für das Haushaltsjahr 2010 gewonnen. Allerdings nur, weil sich die Opposition enthalten hat. 308 der 630 Abgeordneten hielten Berlusconi die Treue, 321 enthielten sich. Die absolute Mehrheit hätte bei 316 Stimmen gelegen. Das Kabinett Berlusconi IV hat damit nach 1278 Tagen im Amt keine Regierungs-Mehrheit mehr im Parlament.

Nach der Abstimmung wird der Premier nun den italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano treffen. Dies berichtete Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa. Dieser könnte Berlusconi nun auferlegen, die Vertrauensfrage zu stellen. Der Ministerpräsident will danach bekanntgeben, ob er das Handtuch werfen wird. Bisher hatte er sich hartnäckig geweigert zurückzutreten.

Das Berlusconi ein Meister des politischen Überlebenskampfs ist, scheint unbestritten. Dass er eine mögliche 53. Vertrauensabstimmung überleben würde, gilt nach dem heutigen Votum aber praktisch als ausgeschlossen. Berlusconi könnte noch heute zurücktreten, es gilt als unwahrscheinlich, dass er sich überhaupt noch einer Vertrauensabstimmung stellt.

Rücktrittsaufforderungen nehmen weiter zu

Wie schon in den Tagen zuvor wurde er dazu auch nach der heiklen Abstimmung von Oppositionschef Pierluigi Bersani aufgefordert. "Berlusconi soll Präsidenten Giorgio Napolitano die Demission einreichen und ihm die Suche nach einer politischen Lösung anvertrauen", sagte Bersani. Die Opposition sei bereit, die Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Die Stunden vor der Abstimmung nutzte Berlusconi für Treffen mit den abtrünnigen Parlamentariern aus, die ihm in den vergangenen Tagen den Rücktritt gekehrt hatten. Er versuchte sie zum Verbleib in der Koalition zu überreden. Auch der Bündnispartner Lega Nord hatte vor der Abstimmung Berlusconi zum Rücktritt aufgerufen.

"Das Haus brennt"

Wie groß die Anspannung in Italien ist, zeigen von der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" veröffentlichte Aufnahmen eines montägigen Telefonats zwischen dem Vize-Verteidigungsminister Guido Crosetto und dem stellvertretenden Chefredakteur der Berlusconi-eigenen Tageszeitung "Libero", Franco Bechis. Im Telefonat bezeichnet der zu Berlusconis Partei gehörende Crosetto den Premier - frei übersetzt - als "Arschloch" ("testa di cazzo").

In Rom geht es zur Zeit aber um mehr als den erwarteten Rücktritt des berüchtigten Premierministers: Schon jetzt herrscht in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone politisches Chaos, Italien gerät immer tiefer in den Sog der Schuldenkrise. Am Montag schoss die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen auf 6,742 Prozent - und damit den höchsten Wert seit 14 Jahren.Der Staat kann sich zu diesen Sätzen eigentlich schon nicht mehr refinanzieren.

Wie die unmittelbare Post-Berlusconi-Ära im unter Aufsicht des IWF und der EU-Kommission stehende Italien aussehen würde, ist unklar. Der Ball läge dann bei Staatspräsident Giorgio Napolitano. Er soll angeblich eine Technokraten-Regierung favorisieren, die in Italien bis zum nächsten regulären Wahljahr 2013 Reformen einleiten soll. Weitere Optionen wären eine politisch besetzte Regierung der Nationalen Einheit oder vorgezogene Neuwahlen. Womöglich würde aber auch ein neuer Kopf an der Spitze der alten Regierung die Partei-Rebellen besänftigen.

(APA/Red.)

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