Nach Berlusconi-Rücktritt: Monti in den Startlöchern

Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi(c) AP (Roberto Monaldo)
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Italiens umstrittener Ministerpräsident, Silvio Berlusconi, ist am Samstagabend zurückgetreten. Präsident Napolitano könnte noch heute Ex-EU-Kommissar Mario Monti mit der Regierungsbildung beauftragen.

Italiens Premier Silvio Berlusconi ist zurückgetreten. Der 75-jährige Regierungschef, der seit Mai 2008 im Amt war, reichte am Samstagabend bei Staatspräsident Giorgio Napolitano seinen Rücktritt ein. Das bestätigte das Büro des Staatschefs. Es ist ein Abgang mit Ankündigung: Berlusconi hatte in der Vorwoche die Regierungs-Mehrheit im Parlament verloren und daraufhin seinen Rücktritt versprochen. Als Bedingung stellte Berlusconi die Billigung eines Sparpakets mit Wirtschaftsreformen und Liberalisierungsmaßnahmen. Diese Bedingung wurde nun erfüllt. Nach dem Senat am Freitag passierten die Reformgesetze am Samstag auch das Abgeordnetenhaus.

Italiens Präsident übernimmt Ruder

Der italienische Präsident Giorgio Napolitano hat am Sonntag eine Konsultationsrunde durchgeführt, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Das Staatsoberhaupt hat zuerst die Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini und Renato Schifani und dann die verschiedenen Parteichefs getroffen.

Bei den Konsultationen traten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien auf, die eine Übergangsregierung unter der Führung des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti unterstützen sollten.

Während die stärkste italienische Oppositionskraft, die Demokratische Partei (PD), eine ausschließlich aus parteiunabhängigen Fachleuten bestehende Regierung fordert, verlangt die Partei des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi "Volk der Freiheit" (PdL Volk der Freiheit) ein Kabinett mit einem beschränkten Regierungsprogramm, das lediglich die von der EU geforderten Wirtschaftsreformen umsetze. Die Oppositionspartei "Italien der Werte" (IDV) verlangt dagegen eine zeitlich beschränkte Übergangsregierung.

Nach Ende der Konsultationsrunde wird mit einer raschen Bekanntgabe des nominierten Berlusconi-Nachfolgers gerechnet. Napolitano unterstützt die Kandidatur des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti für das Amt des Premiers einer Übergangsregierung, die Italien bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 führen soll. Laut informierten Kreisen in Rom könnte der Staatschef bereits am Sonntagabend Monti mit der Regierungsbildung beauftragen. Damit will Napolitano vor der Eröffnung der Börsen am Montag ein klares Zeichen der Zuverlässigkeit Italiens setzen.

Die Regierungspartei "Volk der Freiheit" (PdL - Popolo della liberta) um den zurückgetretenen italienischen Premier hat sich am Samstagabend bereiterklärt, eine Übergangsregierung unter der Führung Montis zu unterstützen. Monti solle sich zur Umsetzung eines Regierungsprogramms aus Maßnahmen verpflichten, die die EU von Italien verlangt. Die mit Berlusconi verbündete rechtspopulistische Lega Nord will dagegen eine Übergangsregierung mit Monti als Premier nicht unterstützen und fordert vorgezogene Parlamentswahlen.

Bei einem zweistündigen Gespräch im Regierungssitz hatte Monti Berlusconi am Samstag eine mögliche Ministerliste für seine eventuelle Regierung präsentiert, die ausschließlich aus parteilosen Experten bestehen sollte. Berlusconi habe sich bereit gezeigt, das neue Kabinett zu unterstützen, er stellte jedoch die Bedingung, dass sein Staatssekretär Gianni Letta das Amt des Vizepremiers übernehme, verlautete aus Regierungskreisen in Rom. Die oppositionelle Demokratische Partei, die ebenfalls eine Regierung unter Monti unterstützen soll, stemmt sich gegen Lettas Beitritt in das neue Kabinett.

Der 75 Jahre alte Berlusconi, dessen Rücktritt am Samstag mit Schmährufen, Pfiffen und Autokarussellen in Rom gefeiert wurde, hat offenbar die Hoffnung nicht aufgegeben, noch einmal an die Macht zu kommen. Der Medienzar zeigte sich am Sonntag über die Arbeit seiner Mitte-rechts-Partei "stolz" und bereit, den "Weg der Regierung" wieder aufzunehmen, wie er in einem Brief an die Teilnehmer am Kongress der Rechtspartei "La Destra" in Turin erklärte. Diese Worte nähren Spekulationen, dass Berlusconi in der Politik bleiben und bei den nächsten Parlamentswahlen wieder kandidieren könnte.

"Ich bin stolz auf das, was wir in diesen letzten dreieinhalb Jahren getan haben, die von einer internationalen Krise ohne Gleichen in der Geschichte gekennzeichnet waren", schrieb Berlusconi. Innenminister Roberto Maroni berichtete, er habe lang mit Berlusconi nach seinem Rücktritt gesprochen. "Er ist mitgenommen, müde und verbittert, doch er ist ein großer Kämpfer", so Maroni, "Nummer Zwei" der Lega Nord. Maroni kritisierte die Menschenmenge, die am Samstagabend Berlusconis Rücktritt gefeiert hatte. "Das was wir gesehen haben, war nicht schön: Leute, die beleidigen, spucken und Gegenstände werfen", kritisierte Maroni.

Gestürzt durch die eigenen Reihen

Gestürzt wurde der vor allem für seine Affären und Skandale bekannte Berlusconi von Abgeordneten aus den eigenen Reihen, die ihm in der Vorwoche beim Beschluss des Rechenschaftsberichts für das Haushaltsjahr 2010 die Gefolgschaft verweigerten.

Der Mailänder Medienzar hat die italienische Innenpolitik seit 1994 geprägt. Das Ende des Kabinetts Berlusconi IV.kam aber nicht überraschend, angezählt war Berlusconi schon lange. Der trickreiche Cavaliere musste sich seit 2008 durch 52 Vertrauensabstimmungen winden.

(APA/Red.)

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