Monti: "Italien kann die Krise überwinden"

Monti Italien kann Krise
Monti Italien kann Krise (AP Photo/Pier Paolo Cito)
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Nach dem Rücktritt von Premier Berlusconi wurde Ex-EU-Kommissar Monti mit der Bildung eines Expertenkabinetts beauftragt. Er startet heute mit einer Konsultationsrunde.

Nur wenige Stunden nach dem Rücktritt von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat Staatspräsident Giorgio Napolitano am Sonntag erneut aufs Tempo gedrückt: Er empfing am Morgen zunächst die Präsidenten von Abgeordnetenhaus und Senat, dann die im Parlament vertretenen politischen Parteien. Kurz vor 20 Uhr hat er dann den 68-jährigen parteilosen Wirtschaftsprofessor und Ex-EU-Kommissar Mario Monti mit der Bildung einer sogenannten technischen Regierung beauftragen würde. Sie soll ausschließlich aus Experten bestehen.

Der designierte Premier nahm den Auftrag mit "Vorbehalt" an, teilte das Präsidentenbüro am Sonntag mit. Monti wird erst sondieren müssen, ob er im Parlament über eine tragfähige Mehrheit verfügt. Dazu begann er am Montagmorgen mit einer Konsultationsrunde unter den Parteien zur Bildung einer Übergangsregierung. Am Vormittag wird er unter anderem Parlamentarier der Südtiroler Volkspartei (SVP) und der Lega Nord treffen.

Am Dienstag sind Gespräche mit den größten Einzelparteien, dem Volk der Freiheit (Popolo della liberta/PdL) um den zurückgetretenen Premier Silvio Berlusconi, und der Demokratischen Partei (PD), der stärksten Oppositionskraft im römischen Parlament, geplant.

Italien müsse ein "Element der Stärke" sein

Der ehemalige EU-Kommissar versicherte in einer kurzen Ansprache, dass er sich in den Dienst seines Landes stelle und für die Bewältigung der akuten Schuldenkrise einsetzen werde. Italien müsse ein "Element der Stärke, nicht der Schwäche" in Europa sein, betonte Monti. Das Land werde seine Verschuldung eindämmen und das Wirtschaftswachstum fördern müssen. Dabei müsse im Interesse der neuen Generationen soziale Ausgewogenheit garantiert werden. "Italien kann die Krise überwinden", gibt sich Monti zuversichtlich.

Das Ziel Napolitanos war, noch vor der Eröffnung der Börsen am Montagmorgen ein klares Signal zu geben, dass Italien die Forderungen der EU ernst nimmt und so schnell wie möglich mit der Sanierung seiner Staatsfinanzen beginnt und umfassende Reformen einleitet. Bereits im Jahr 2013 soll das Land einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, außerdem soll die enorme Staatsverschuldung von 1,9 Billionen Euro zügig abgebaut werden. Eine der größten Herausforderungen für Monti wird es werden, gleichzeitig Italiens Wirtschaft anzukurbeln.

Druck der Finanzmärkte

Erste Maßnahmen wurden bereits in einem von der EU geforderten Haushaltsgesetz niedergeschrieben, das am Freitag vom Senat und am Samstag vom Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Berlusconi hatte sich in der vergangenen Woche gegenüber dem Staatspräsidenten verpflichtet, danach sofort seinen Rücktritt einzureichen. Viele Italiener zweifelten jedoch bis zuletzt, ob er diesen Rücktritt auf Raten tatsächlich vollziehen würde. Unter dem Druck der Finanzmärkte wurde die Situation jedoch unhaltbar: Am Mittwoch sind die Renditen für italienische Staatsanleihen auf über sieben Prozent geklettert – das ist die Marke, an der andere Länder bereits den Schutz des „EU-Rettungsschirms“ gesucht haben.

Berlusconi reichte am Samstagabend seinen Rücktritt ein, den Tausende in Rom begeistert feierten. Vor dem Präsidentenpalast wartete eine Menschenmenge, die ihn mit Schmährufen verabschiedete. „Das ist ein Tag der Befreiung“, kommentierte Pier Luigi Bersani, Chef der größten Oppositionspartei, der Demokraten, die historische Wende. Seine Partei habe den Sturz Berlusconis herbeigeführt. Die Demokraten hatten zuvor signalisiert, dass sie eine sogenannte technische Regierung unter Monti unterstützen würden.

Berlusconis eigene Partei „Volk der Freiheit“ dagegen ist in der Frage tief gespalten, und viele favorisieren vorgezogene Neuwahlen. Die Lega Nord, Berlusconis Koalitionspartner, hat bereits klargemacht, dass von ihr keine Unterstützung einer Übergangsregierung zu erwarten sei. „Wir gehen in die Opposition“, verkündete Parteichef Umberto Bossi gestern.

Berlusconis Zukunft ungewiss

Was aus Berlusconi selbst wird, ist offen, doch wird er nach Kräften versuchen, weiter in der römischen Politik mitzumischen. „Ich bin stolz auf das, was wir in drei Jahren Regierungszeit erreicht haben“, schrieb er in einem Brief an den Chef der Rechtspartei La Destra, die gestern zu einem Kongress zusammenkam. „Ich teile Ihre Ansichten und hoffe, dass wir gemeinsam den Weg der Regierung wieder aufnehmen werden.“ In Rom nährte das prompt Spekulationen, dass Berlusconi noch immer nicht aufgegeben hat und im Falle von Neuwahlen sogar an eine erneute Kandidatur denkt.

Der 75-Jährige bleibt Abgeordneter und allmächtiger Präsident einer Partei, die allein auf seine Person zugeschnitten ist. Unter dem Druck der Ereignisse treten dort allerdings bereits erste Zerfallserscheinungen zutage. Ohne das schützende Amt des Ministerpräsidenten wird es auch schwer für ihn, glaubhafte Gründe zu finden, warum er in den drei großen Prozessen, die derzeit gegen ihn laufen, verhindert sein sollte.

Stärker einmischen als bisher will er sich indes wieder in seinen Medienkonzern, dessen Leitung er seinen Kindern überlassen hat. Obwohl Berlusconi die Krise stets bestritten hat, musste auch die TV-Sendergruppe „Mediaset“ in den vergangenen Monaten an den Börsen arge Kursverluste hinnehmen.

(Red./Ag.)

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