Großer Nachfolger liebt Basketball

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Kim Jong-un, jüngster Sohn des verstorbenen Diktators, wird neuer Staatschef. Seine Tante soll dem politisch Unerfahrenen den Rücken freihalten. Bisher kennt kaum jemand den „Großen Nachfolger“ seines Vaters.

Der junge Mann hat große Aufgaben vor sich: Er muss die Feiern zum 100. Geburtstag seines 1994 verstorbenen Großvaters Kim Il-sung im nächsten Jahr organisieren. Er muss die Trauerfeierlichkeiten für seinen Vater Kim Jong-il gestalten, der als „Großer Führer“ und „Generalissimus“ in Nordkoreas Geschichte eingehen soll. Und vor allem muss er sich selbst dem Volk vorstellen. Bisher kennt kaum jemand Kim Jong-un, den „Großen Nachfolger“ seines Vaters, wie ihn die Propaganda am Montag gepriesen hat. Viele Untertanen dürften nicht wissen, wie er aussieht. Wenn überhaupt, war er stets mit dem Vater zu sehen, etwa während einer Militärparade in Pjöngjang in schwarzem Anzug und mit gehörigem Abstand neben seinem Vater auf der Tribüne.

Kim Jong-un setzt die „Blutlinie“ einer kommunistischen Dynastie fort. Er ist der dritte Sohn Kims, die zwei älteren fielen beim Familienoberhaupt in Ungnade: Der eine ist ein Lebemann mit Wohnsitz im Casino-Paradies Macau, der andere soll nach Ansicht des Vaters zu „weich“ sein.

Schulbesuch in der Schweiz

Kim Jong-un ist 29 oder 30 Jahre alt. Seine Mutter, Ko Yong-hui, eine in Japan aufgewachsene Tänzerin, war die dritte Frau seines Vaters. 2004 starb sie an Krebs. Wie seine Brüder schickte Kim Jong-il auch ihn nach Bern, wo er von 1998 bis 2000 unter falschem Namen eine Schule besuchte. Abends kehrte er stets in die Obhut der nordkoreanischen Botschaft zurück. Er soll seither Deutsch und Englisch sprechen.

Danach soll er in Pjöngjang eine Militärakademie besucht haben, in der er zum Artilleristen ausgebildet wurde. Es folgten Jobs in der Organisationsabteilung der Partei, Experten munkeln auch von einem Platz im Geheimdienst. Im vorigen Jahr hievte der Vater den jungen Mann endgültig nach oben und installierte ihn als seinen Nachfolger. Jong-un wurde Viersternegeneral und Vizechef der Zentralen Militärkommission.

Unklar ist, ob er eine Ahnung von Wirtschaft hat. Böse Zungen behaupten, er sei es gewesen, der die Währungsreform 2010 in Grund und Boden gefahren hat. Auch außenpolitische Erfahrungen kann er bisher nicht gesammelt haben. Allerdings hat er sich im Oktober 2010 in Pjöngjang mit einer Delegation des chinesischen Militärs getroffen. Die überreichte ihm eine Kalligrafie mit den Buchstaben „In derselben Linie“. Kim Jong-un dürfte in den nächsten Jahren kaum zum Alleinherrscher aufsteigen, dazu scheint er zu unerfahren.

Experten erwarten eine kollektive Führung aus Armee und Partei, an deren Spitze Kim III. als Galionsfigur steht. Vater Kim hat ihm auf einer Parteikonferenz im vorigen Jahr deshalb auch Mentoren an die Seite gestellt. Dazu gehören seine Tante Kim Kyung-hee, die zeitgleich mit ihrem Schützling zum Viersternegeneral ernannt wurde. Vor allem aber ihr Mann, Funktionär Chang Sung-taek, dürfte ihm den Rücken stärken. Chang ist Mitglied des einflussreichen Nationalen Verteidigungsrates. Kim Jong-un, dessen Frisur und Statur auffällig denen seines Großvaters ähneln, soll zuckerkrank sein – und sich in seiner Freizeit Spiele der US-Basketball-Liga anschauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2011)

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