Pjöngjang: Kim Jong-un bereitet Machtübernahme vor

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Der Sohn des verstorbenen Herrschers Kim Jong-il wird in nordkoreanischen Staatsmedien schon als Parteiführer genannt. Der Kim-Familienclan kann seine Macht im Land konsolidieren.

Pjöngjang/Seoul/Ag. In Nordkorea gibt es deutliche Anzeichen, dass Kim Jong-un seine Position als Nachfolger seines verstorbenen Vaters, Machthaber Kim Jong-il, weiter gestärkt hat. Das Zentralorgan der kommunistischen Arbeiterpartei bezeichnete ihn am Montag in mehreren Artikeln als Chef des Zentralkomitees der Partei und rief dazu auf, treu hinter ihm zu stehen. Der Chef des Zentralkomitees ist zugleich automatisch Generalsekretär der Arbeiterpartei, was als höchster ziviler Posten gilt. Bis zu seinem Tod hatte Kim Jong-il das Amt inne.

Der Kim-Clan dürfte in den vergangenen Tagen seine Macht konsolidiert haben. Das Staatsfernsehen zeigte am Sonntag erstmals Jang Song-thaek, den Ehemann der jüngeren Schwester des Exdiktators. Jang stand an der Seite des neuen Machthabers Kim Jong-un am Glassarg von dessen Vater. Er trug eine Militäruniform mit dem Rangabzeichen eines Generals. In Nordkorea habe man den 65 Jahre alten Jang zum ersten Mal in Uniform im Fernsehen gezeigt, berichteten südkoreanische Medien.

Jang gilt seit Langem als graue Eminenz des Regimes und Mentor des 29-jährigen Kim Jong-un. Dass die Staatspresse Kim Jong-un als „obersten Befehlshaber“ bezeichnet, wird als Zeichen dafür gewertet, dass in Nordkorea nach dem Tod von Kim Jong-il dem Militär in der Politik weiter Vorrang eingeräumt werden soll.

Keine offizielle Delegation aus Seoul

Kim Jong-il hatte seinen Schwager im vergangenen Jahr zu seinem Stellvertreter in der nationalen Verteidigungskommission, dem militärischen Führungsgremium des Staates, gemacht. Kim Jong-il hat sich seit seinem Schlaganfall vor drei Jahren mit Personen des Vertrauens, darunter seine Schwester Kim Kyong-hui und eben deren Mann, umgeben, um den Machttransfer auf seinen drittältesten Sohn vorzubereiten. Kim selbst hatte die Macht von seinem 1994 gestorbenen Vater und „ewigen Präsidenten“ Kim Il-sung übernommen.

Im Zusammenhang mit der Trauerfeier für den nach offizieller Darstellung am 17. Dezember verstorbenen Kim Jong-il hat Nordkorea seinen Nachbarn im Süden aufgefordert, die Reisebeschränkungen zu lockern. Zuvor hatte das abgeschottete Land angekündigt, dass es seine Grenze für alle Südkoreaner öffnen werde, die zur Trauerfeier in Pjöngjang kommen wollten.

Die südkoreanische Regierung sendete keine eigene Delegation zur Trauerfeier. Sie hatte der nordkoreanischen Bevölkerung ihr Mitgefühl nach dem Tod Kims ausgesprochen, ohne sich jedoch direkt an das Regime zu wenden. Seoul hatte zudem nur zwei privaten Kondolenzdelegationen die Reise nach Nordkorea genehmigt. Nordkorea zeigte sich deshalb verärgert. Beide Länder befinden sich völkerrechtlich seit dem Ende ihres Bruderkriegs (1950–53) noch im Kriegszustand, da kein Friedensvertrag geschlossen wurde.

Präsidenten-Witwe reiste nach Nordkorea

Die Witwe des früheren südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung ist eine der wenigen Südkoreaner, die in den Norden gereist ist. Sie hoffe, dass ihr Besuch zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Koreas beitragen werde, sagte die 90 Jahre alte Lee Hee-ho. Kim Dae-jung, der eine Annäherungspolitik zu Nordkorea verfolgte, hatte im Juni 2000 beim ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen Gespräche mit Kim Jong-il in Pjöngjang geführt. Außer Lee ist auch die Vorsitzende der südkoreanischen Hyundai-Gruppe, Hyun Jeong-eun, mit einer Delegation nach Pjöngjang gereist.

Japan und China wollen sich nach dem Tod von Kim Jong-il gemeinsam für „Frieden und Stabilität“ auf der koreanischen Halbinsel einsetzen, erklärten der japanische Ministerpräsident Yoshihiko Noda und Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao am Montag. Die Sorge um die Sicherheitslage in Nordkorea hatte den seit Längerem geplanten Besuch Nodas in der Volksrepublik China zwei Tage lang dominiert. Noda drängte die chinesische Führung, Nordkorea zur Rückkehr zu den unterbrochenen Sechs-Parteien-Gesprächen über Nordkoreas Atomprogramm zu bewegen, verlautete aus Kreisen seiner Delegation.

Auf einen Blick

Südkoreas Regierung sendet zwar keine Delegation zur Trauerfeier für den verstorbenen nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-il nach Nordkorea. Allerdings ist die 90-jährige Witwe des früheren südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung nach Pjöngjang gereist. Lee Hee-ho wurde vom Chef der Hyundai-Gruppe, Hyun Jeong-eun, begleitet. [EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2011)

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