Syrien: Assads Spiel mit den Beobachtern

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Wenn das syrische Regime sich an die Vereinbarungen mit der Arabischen Liga hielte, würde es sein eigenes Todesurteil unterschreiben. Es wird also tief in die Trickkiste greifen.

Die lange erwarteten Beobachter der Arabischen Liga sind in Syrien angekommen – und in der Protesthochburg Homs hat man sie gleichsam mit einer Massendemonstration willkommen geheißen: Nach Angaben der syrischen Opposition gingen in der Stadt am Dienstag 70.000 Menschen auf die Straßen. Im Vergleich zu den vergangenen Tagen schaltete das Regime offenbar einen Gang zurück, denn es wurde nur über den Einsatz von Tränengas berichtet. Zuletzt waren nach Angaben der Opposition alleine in Homs mindestens 34 Regimegegner von den Sicherheitskräften getötet worden.

Noch bevor die Beobachter am Mittwoch ihren ersten Lokalaugenschein in der Stadt unternahmen, hatte das Regime bereits das Terrain aufbereitet – und Panzer abgezogen. Seitens der Mission gab es zunächst anerkennende Worte für das syrische Regime: Dieses verhalte sich „sehr kooperativ“, sagte Mohammed Ahmed Mustafa al-Dabi, der aus dem Sudan stammende Leiter der Fact-Finding-Mission.

Mit dieser hat eine neue Phase des Aufstandes in Syrien begonnen. Wurde der Konflikt bisher auf syrischer Ebene ausgefochten, so wird er nun arabisiert – um seine Internationalisierung zu verhindern. Das macht die Mission, an der sich Syriens Nachbarland Libanon übrigens nicht beteiligt, zum Test für alle drei Parteien: Die Arabische Liga muss nun zeigen, dass sie unabhängig vom Assad-Regime arbeiten kann. Für die Opposition wiederum besteht die größte Herausforderung der Initiative darin, dass sie in einen Dialog mit einem Regime treten soll, das sie eigentlich durch den Aufstand loswerden wollte. Und das Assad-Regime müsste nun eigentlich seine Gefängnisse öffnen und sich in den Aufstandsgebieten in die Karten schauen lassen. Und es müsste flächendeckend seine Panzer zurückziehen und friedliche Demonstrationen zulassen.

Missbrauch zwecks Zeitgewinn?

Damit hat die arabische Mission gleich drei unbekannte Faktoren: Der erste ist die Frage, ob das Regime von Bashir al-Assad die Arabische Liga und deren Mission nicht einfach missbraucht, um Zeit zu gewinnen.

Der zweite unbekannte Faktor ist, ob die Opposition im Dialog mit dem Regime kompromissbereit ist, und, wenn ja, wie ein solcher Kompromiss wirklich aussehen könnte. Denn mit einem abgesetzten Assad-Regime, aber einer noch immer überall gegenwärtigen Allmacht der Sicherheitsapparate wäre wenig gewonnen.

Die entscheidende Frage ist aber, ob man vom syrischen Regime tatsächlich erwarten kann, dass es die Repression einstellt und friedliche Demonstrationen zulässt, die ihm womöglich am Ende den Todesstoß versetzen. Denn lässt sich Damaskus tatsächlich auf die Buchstaben der Initiative ein, unterschreibt es damit de facto sein Todesurteil. Daher darf erwartet werden, dass es tief in die Trickkiste greift, um genau das zu verhindern.

Am Ende wird alles nicht von den arabischen Beobachtern abhängen, sondern davon, inwiefern es der syrischen Opposition gelingt, weiter von innen Druck aufzubauen. Seit Monaten hat sie es nicht wirklich geschafft, die Pattsituation zwischen sich und dem Regime aufzubrechen.

Angst vor Chaos à la Irak

Die einzige Option für sie ist, das Kräftegleichgewicht in ihrem Sinne zu verändern. Und das bedeutet viel Arbeit: Sie muss die vielen Minderheiten des Landes überzeugen, dass sie nach dem Sturz Assads nicht – so wie vom Regime propagandistisch prophezeit – einer islamistisch-sunnitischen Dominanz entgegensehen.

Und sie muss die Zweifel der Mittelklasse ausräumen, die jahrelang vom Regime profitiert hat und die fürchtet, in einer Post-Assad-Zeit ein Chaos nach dem Vorbild des Irak zu erleben. Erst dann wird der Aufstand die beiden großen und entscheidenden Städte Damaskus und Aleppo erreichen. Dann wären die Tage des Regimes Assad gezählt – mit oder ohne Arabische Liga.

Auf einen Blick

Die Arabische Liga startete diese Woche ihre Beobachtermission in Syrien. Vorerst sind 50 Beobachter unterwegs, 100 weitere sollen folgen. Seit Beginn des Aufstands gegen Staatschef Bashir al-Assad zu Jahresbeginn töteten die Sicherheitskräfte laut UN-Angaben rund 5000 Regimegegner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2011)

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